
Mehr kann ein Komponist nicht erreichen: Schon bei der Erwähnung des Titels haben viele Menschen die ersten sechs Töne der Titelmelodie im Ohr: „Jesus Christ, Superstar…“ Andrew Lloyd Webber war 23 Jahre alt und Student des Royal College of Music in London, als er eine Rockoper komponierte, zu der sein Freund Tim Rice die Texte lieferte. Die Handlung ist ein wahrer Klassiker: Die Passion Jesu.
Und das am 12. Oktober 1971 im Mark Hellinger Theater in New York City uraufgeführte Stück wurde auf Anhieb ein Erfolg und gilt heute als Klassiker des modernen Musiktheaters. Die Musik des Werks ist vielseitig und kombiniert Rock-, Pop- und auch klassische Elemente.
Die Original-Inszenierung lief am Broadway 720 Mal. Das Rock-Musical war zugleich das erste Werk von Webber, das 1973 fürs Kino verfilmt wurde. Trotz der Nähe der Handlung zur biblischen Darstellung der letzten Tage Jesu Christi lehnten es christlich-konservative Kreise ab. Vor allem der Verräter Judas war den Kritikern zu sympathisch dargestellt.
In Deutschland wurde „Jesus Christ Superstar“ am 18. Februar 1972 erstmals aufgeführt: In Münster und in deutscher Sprache. Mit Till Kleine-Möller wurde für die Inszenierung ein Regisseur gewonnen, der seit 2016 mit großem Erfolg eine Reihe von Operetten, Theaterstücken und vor allem Musicals inszeniert hat. Er hat das Stück mit einem optischen Spektakel vom Licht bis zu den Choreografien inszeniert: „Jesus Christ Superstar“ wird in einem modernen Gewand mit einem „Jesus 2.0“ nach dem Konzept des Retrofuturismus und in englischer Sprache auf der Seebühne gespielt.
Der Bogen wird dabei von Jesus über Kreuzzügler und Bibelfanatiker bis hin zur Klima-Aktivistin Greta Thunberg gespannt. Mit Hilfe von Live-Kameras und sozialen Medien zeigt der Regisseur, wie Jesus die Kontrolle über seine Botschaft entgleitet und er macht deutlich, wohin mediale Überflutung führen kann.
Die musikalische Leitung liegt in bewährten Händen von Christoph Bönecker, der sich in Eutin einen guten Ruf erworben hat: Der Hamburger hielt sowohl 2021 beim Musical „Cabaret“ als auch 2022 bei „Ein Käfig voller Narren“ den Dirigentenstab in der Hand. Als Musical-Experte ist Bönecker international gefragt, im Jahr 2023 dirigiert er beim Musical „Wüstenblume“ im Theater St. Gallen in der Schweiz.
Für die Choreografie ist Timo Radünz verantwortlich. Radünz wurde an der Stage School Hamburg ausgebildet, steht seit 2012 auf der Bühne und hat seit 2015 auch die Gestaltung, Inszenierung und Choreografie bei zahlreichen Bühnenstücken übernommen, darunter „Saturday Night Fever“, „Ghost“ oder „Das Spongebob-Musical“.
Für die Besetzung der Gesangs- und Tanzrollen hatten sich mehr als 500 Personen beworben, darunter sehr viele exzellente Künstler. Eine besondere stimmliche Herausforderung ist die Rolle Jesu: Sie gilt als eine der schwersten Partien im Musical.
Handlung
Die biblische Erzählung der letzten sieben Tage Jesu ist Grundlage des Musicals. Unter Verzicht auf Dialoge zeichnen die Songs die wesentlichen Stationen von seinem Einzug in Jerusalem bis zur Kreuzigung nach, wobei die Sichtweise des Judas auf das dramatische Geschehen eine Hauptrolle bildet.
1.Akt
Nach der Ouvertüre eröffnet Judas-Song Heaven On Their Minds die Erzählung. Judas fürchtet, dass Jesus mit der Forderung der Jünger nach dem Einzug in Jerusalem (What's The Buzz?) in Gefahr bringen. Jesus lässt sich erst von Maria Magdalena die Stirn kühlen, was Judas wiederum nicht versteht: lt seems to me a strange thing, mystifying that a man like you waste his time on women of her kind. Doch Maria Magdalena hört nicht auf ihn, sondern beruhigt: Everything's Alright.
Szenenwechsel:
Die Hohepriester befürchten einen Krieg mit den römischen Besatzern, wenn das Volk Jesus zum König krönt; ein Vorschlag ist, Jesus rechtzeitig zu töten, wie man es zuvor mit Johannes dem Täufer gemacht hat (This Jesus Must Die), doch draußen jubelt die begeisterte Menge ihrem Messias zu: Hosanna. Der Apostel Simon Zealotes fordert ihn sogar auf, den Befreiungskampf gegen die Römer auszurufen (You'll get the power and the glory), doch Jesus lehnt ab: Niemand versteht, was Macht und Ruhm wirklich bedeuten (Poor Jerusalem). Pontius Pilatus, der römische Statthalter in Jerusalem, hat einen Traum: Die Menge drängt ihn, einen Unschuldigen zu verurteilen, aber gibt ihm hinterher die Schuld (Pilate's Dream).
Jesus ist mittlerweile im Tempel angekommen und wirft die Händler und Geldverleiher hinaus: My temple should be a hause of prayer, but you have made it a den of thieves. Vor dem Andrang der Menschenmenge flieht er zu Maria Magdalena, die sich ihrer Liebe zu Jesus stellt: I don't know how to love him. Judas begreift, dass seine Befürchtungen zutreffen werden und wendet sich an die Hohepriester: Jesus can't control it like he did before; zweifelt aber an seinem bevorstehenden Verrat und den daraus folgenden Konsequenzen: Damned for all time. Annas und Kaiphas stellen eine Belohnung in Aussicht, wenn er Jesus verrät: You know bis movements, we know the /aw. So erfahren sie, dass er am übernächsten Abend im Garten Gethsemane sein wird.
2.Akt
Beim letzten Abendmahl The Last Supper sind die 12 Jünger stolz, in den Kreis der Apostel aufgenommen zu sein und berauschen sich an der Idee, aus der Gefolgschaft Jesu Ruhm und Nutzen zu ziehen. Doch Jesus eröffnet ihnen sein Ende:
The end is just a little harder, when brought about by friends, sagt voraus, dass Petrus ihn drei Mal verleugnen und ein anderer ihn verraten wird. Judas weiß, dass er gemeint ist, doch er verteidigt sich: You want me to do it!. Dann macht er sich auf den Weg, um die Wachen zu holen. Im Garten Gethsemane ist Jesus alleine und betet, dass Gott den bitteren Kelch der Kreuzigung verhindere (Take this cup away from me) - doch letztlich überwindet er seine Zweifel: God, thy will is hard.
Judas erscheint mit den Wachen und verrät Jesus mit dem Kuss (Mustyou betray me with a kiss?). Die Apostel versuchen, die Verhaftung zu verhindern, doch Jesus lässt sich widerstandslos festnehmen. Kurz darauf verleugnet Petrus ihn drei Mal. Am nächsten Morgen steht Jesus vor Pilatus, aber verweigert auf alle Fragen seine Antwort. Daher schickt Pilatus ihn zu König Herodes, der ihn erst verhöhnt und dann provoziert:
Prove to me that you're no fool; walk across my swimming pool. Doch Jesus lässt sich nicht darauf ein und wird zurück zu Pilatus gebracht. Maria Magdalena und Petrus sind verzweifelt, dass Jesus sein Schicksal herausgefordert hat: Could We Start Again Please?. Doch es ist zu spät.
Auch Judas werden die Folgen seines Verrats bewusst; er versucht, die Hohepriester umzustimmen. Doch die lehnen ab: Cut the confessions, forget the excuses. Judas fühlt sich missbraucht, God, I'm sick. I've been used. And you knew all the time und findet keinen anderen Ausweg als den Selbstmord. Bei einem weiteren Verhör von Jesus durch Pilatus drängen die Hohepriester auf eine Bestrafung durch die römischen Besatzer (We need him crucified. It's allyou have to do.), Pilatus fordert Jesus ultimativ auf, sich zu verteidigen, doch dieser lehnt ab: Everything is fixed, and you can't change it. Das Volk will unbedingt, dass Jesus gekreuzigt wird, und Pilatus wäscht seine Hände in Unschuld. Auf dem Weg zur Hinrichtungsstätte hört man Judas' Stimme: Warum Jesus sein Schicksal aus der Hand gegeben habe, ob er nicht besser hätte planen können und ob es für ihn heute, dank der modernen Medien, nicht einfacher wäre ...
MUSICAL VS. ROCKOPER: DER DIALOG MACHT DEN UNTERSCHIED
Der wesentliche Unterschied zwischen einem Musical und einer Rockoper: Im Musical wird nicht nur gesungen, sondern auch gesprochen. Die Dialoge helfen, dem Publikum die Handlung näher zu bringen.
In Jesus Christ Superstar fehlen die Dialoge. Das Frühwerk von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice orientierte sich an dem gerade geborenen Genre der Rockoper, vor allem an Hair mit der Musik von Galt MacDwermot nach einem Buch von Gerome Ragni und James Rado aus dem Jahr 1967 sowie Tommy von der britischen Rockband „The Who“ aus dem Jahr 1969. „The Who“ gelten als „Erfinder“ der Rockoper, allerdings nicht mit Tommy, sondern einer 1966 veröffentlichen Serie von sechs Songs unter dem TitelA Quick One While He's Away. Erzählt wird darin die Geschichte einer verheirateten Frau, die sich von einem Lokführer verführen lässt.
Die Dialoge in Jesus Christ Superstar fehlen, aber die Titel der Lieder bieten Hilfe dabei, die Handlung zu verfolgen. In der Tabelle sind alle Lieder aufgeführt, dazu in der zweiten Spalte, wer sie singt, und in der dritten eine Übersetzung der Liedtitel.
Es ist eine Übersetzung der originalen Lieder. Die Namen von Stücken der deutschen Version des Musicals weichen in sieben Fällen von dieser Übersetzung ab, sind aber sinngemäß gleich.
ANDREW LLOYD WEBBER
Kaum jemand hat das Musical so beeinflusst wie Andrew Lloyd Webber, der seit „Jesus Christ Superstar“ seinen verdienten Platz in der Hall of Farne des Genres gefunden hat. Dabei war er gerade mal 22 Jahre alt, als er gemeinsam mit dem vier Jahre älteren Tim Rice dieses Meisterwerk schuf
Aufgewachsen als ältester Sohn einer musikalischen Familie, beginnt der 1948 geborene Webber nach der Schule zunächst mit einem Geschichtsstudium, wechselt aber bald ans Royal College of Music. „Swinging London“ ist Mitte der 196oer Jahre das Zentrum einer neuen Jugendkultur, in der sich die Kinder der Arbeiterklasse mit den Studenten und der Kunstszene verbünden. Standesunterschiede werden über Bord geworfen, das Establishment steht Kopf. In vielen Bereichen wird experimentiert, neue Musikformen entstehen - und nicht nur in der Rock- und Popkultur. In dieser spannenden Zeit beginnt die Zusammenarbeit des Komponisten Andrew Lloyd Webber und des Texters Tim Rice. Ihr erstes Musical The Likes Of Us kann noch nicht überzeugen; es wird erst 40 Jahre später uraufgeführt werden. Doch bereits das nächste Werk trägt Früchte: Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat, ursprünglich ein kurzes Stück für einen Schulchor, ist frisch, modern, jung - mit einem Wort: anders -, und löst so viel Begeisterung aus, dass Webber und Rice es als abendfüllendes Musical auf die Bühne bringen. Erstmalig wird ein biblisches Thema (die Josefsgeschichte aus dem 1. Buch Mose) von der Popkultur aufgegriffen. Die Kritik ist begeistert.
Inspiriert ist das Rock-Musical vom 1967er Broadway-Hit Hair und der Rockoper Tommy der Band The Who. Webber und Rice gelten als junge Wilde, die dem Musical neuen Atem einhauchen wollen. Any Dream Will Do aus Joseph wird Webbers erster Nr.1-Hit in Großbritannien.
Der Erfolg macht Mut. Zwischen 1965 und 2021 entstehen 18 Musicals, von denen etlichen anfänglich nur ein geringer kommerzieller Erfolg beschieden ist. Dafür können andere nicht nur begeistern, sondern setzen neue Maßstäbe. Heute ist Webber der erfolgreichste Musical- Komponist der Gegenwart, der unter anderem mit sieben „Tonys“, drei „Crammys“, sieben „Laurence Olivier Awards“, einem „Colden Clobe“, einem „Oscar“, zwei internationalen „Emmys“, dem japanischen „Praernium Imperiale“, dem „Richard Rogers Award“ sowie dem „Kennedy Center Honors“ geehrt wurde.
Der Erfolg von Joseph veranlasst Webber und Rice, ein weiteres biblisches Thema auf die Bühne zu bringen. Sie schreiben Jesus Christ Superstar über die letzten sieben Tage Jesu vom Einzug in Jerusalem bis zur Kreuzigung bzw. Grablegung. Es erscheint 1970 zunächst als Schallplatte und feiert 1971 seine Bühnenpremiere. Christlich-konservative Kreise und Kritiker sind zunächst entsetzt, und Zuschauer sind begeistert. In New York, London und 22 weiteren Ländern feiert das Musical Erfolge; 1973 wird es verfilmt. Webber und Rice haben das Lebensgefühl der jungen Generation auf der Suche nach Spiritualität exakt getroffen. Kein Wunder: Sie sind Teil dieser Generation.
Jesus Christ Superstar macht Andrew Lloyd Webber und Tim Rice selbst zu Stars. Die Musicalwelt verlangt nach mehr ... und wird nicht enttäuscht. 1978 folgt Evita. Die Lebensgeschichte der argentinischen Präsidentengattin Eva Per6n rührt das Publikum, der Song Don't cry for me, Argentina wird zum Welthit - vor allem als Madonna 1996 die Titelrolle in der Verfilmung übernimmt. Evita ist aber nicht nur kommerziell erfolgreich; Webber ersetzt die Dialoge durch musikalische Zwischenspiele und erschafft damit die auch heute noch gültige Form des Musicals.
Nur drei Jahre später - Webber und Rice gehen mittlerweile getrennte Wege - erscheint Cats. Es basiert auf zum Teil unveröffentlichten Katzen-Gedichten von T. S. Eliot, die der Lyriker und Dramatiker 1939 für Kinder verfasst hatte. Aber es fehlt ein emotionaler Höhepunkt kurz vor Ende des ersten Akts. Webber komponiert, der Regisseur Trevor Nunn schreibt den Text auf Basis eines anderen Eliot Gedichts ... fertig ist Memories, ein Welthit, der von Barbra Streisand bis Angelika Milster eingesungen wird. Cats wird zu einem der erfolgreichsten Musicals aller Zeiten, das viele Jahre lang in Londons West End und am Broadway, aber auch in Hamburg aufgeführt wird.
Aus einem musikalischen Spaß für Webbers Kinder Imogen (*1977) und Nicholas (*1979; †2023) entsteht 1984 Starlight Express, das von der Kritik gespalten, vom Publikum aber begeistert aufgenommen wird. Das Eisenbahn-Musical auf Rollschuhen, temporeich und artistisch, ist eine Sensation. 1987 feiert es am Broadway Premiere. Tausenden Vorstellungen in London und New York folgen weltweite Bühnen- und Tournee-Produktionen. In Bochum wird 1988 sogar ein eigenes Theater errichtet, in dem das Musical auch heute noch das Publikum begeistert. 1986: Andrew Lloyd Webber ist noch keine 40 Jahre alt und übertrifft mit Das Phantom der Oper den großen Erfolg von Cats. 130 Millionen Besucher in 27 Ländern lassen sich von der Adaption eines Romans aus dem Jahr 1911 begeistern.
Keine der insgesamt zehn Musical-Versionen dieses Stoffs (drei vor, sechs nach Webber) können auf einen auch nur annähernd großen Erfolg verweisen: 25 Jahre Laufzeit, fast 14.000 Aufführungen: Das ist absoluter Broadway-Rekord. Die deutschsprachige Uraufführung folgt am 20. Dezember 1988 in Wien; in der Neuen Flora in Hamburg startet Das Phantom der Oper am 29. Juni 1990 und läuft bis 2001; 2013 wird es für zwei Jahre wieder aufgenommen.
Sunset Boulevard (Boulevard der Dämmerung) ist 1993 Webbers erste Adaption eines Filmstoffs. Billy Wilder hatte die Satire auf die Traumfabrik Hollywood über eine vergessene Stummfilm-Diva und ihren jugendlichen Liebhaber 1951 gedreht. Frühe Musicalpläne scheitern noch an fehlenden Nutzungsrechten, doch dank Webber startet das Musical am 12.Juli 1993 in London, am 17.November am Broadway. Hier kann Sunset Boulevard abräumen: Von 11 „Tonye-Nominierungen“ und acht „Drama Desk“ Awards-Nominierungen werden jeweils sieben errungen. Auch für dieses Musical wird in Deutschland ein eigenes Theater errichtet: Das Rhein-Main-Theater in Niedernhausen bei Wiesbaden ist Ort der deutschen Uraufführung am 8. Dezember 1995. Neben Helen Schneider steht Uwe Kröger auf der Bühne. Kröger ist dem Eutiner Publikum wohlbekannt: Er glänzte 2022 auf der Seebühne als Zaza in Ein Käfig voller Narren.
Andrew Lloyd Webber ist vom „jungen Wilden“ zum erfolgsverwöhnten Komponisten gereift, aber hat sich nie auf seinen Lorbeeren ausgeruht. Auch seine weniger erfolgreichen Werke wurden mittlerweile wiederentdeckt und begeistern - kaum gealtert - auf (zumeist) kleineren Bühnen ihr Publikum. Er hat mit einer Handvoll erfolgreicher Stücke die Dominanz der US-Komponisten gebrochen und dem klassischen Broadway-Musical, das sich scheinbar schon überlebt hatte, neues Leben geschenkt. Durch Webber wurde das Musical endgültig zum „Blockbuster“.
DAS WORTGENIE HINTER DER MUSIK
Der Textdichter prägte die Welt des Musicals in Zusammenarbeit mit Andrew Lloyd Webber. Gemeinsam schufen sie Klassiker wie „Jesus Christ Superstar“ und „Evita“. Seine einprägsamen Texte ergänzen Webbers Musik und begeistern Generationen.
Tim Rice verfügt über ein beeindruckendes Portfolio von Berufen: er ist Songtexter, Buchautor, Verleger, Rundfunkmoderator, Sänger, Schauspieler und Manager und kann als einer der ganz wenigen Künstler auf den Gewinn aller vier großen Preise der amerikanischen Unterhaltungsindustrie („Emmy“, „Grammy“, „Oscar“ und „Tony „) verweisen. Seine Karriere begann der am 10. November 1944 im englischen Amersham/Buckinghamshire geborene Timothy Miles Eindon Rice bei der Plattenfirma EMI. Er hatte das Unternehmen bereits 1965 verlassen, kurz bevor er Andrew Lloyd Webber traf: The Likes of Us (1965), Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat (1968).Jesus Christ Superstar (1970/71) und Evita (1976) zeugen von einer fruchtbaren Zusammenarbeit. Danach trennten sich ihre Wege, lediglich 1986 fanden sie für Cricket, einem knapp halbstündigen Musical zum 60. Geburtstag der britischen Königin Elisabeth II., wieder zusammen.
1983 schrieb Rice die Texte für Blonde/ (Musik: Stephen Oliver), dem aber kein großer Erfolg zuteil wurde, im Gegensatz zum ein Jahr später folgenden Chess, für das Benny Andersson und Björn Ulvaeus (ABBA) die Musik komponierten.
Neben verschiedentlicher Zusammenarbeit mit Alan Menken in der Umsetzung von Trickfilmen in Musicals, zählt die Zusammenarbeit mit Elton John (Der König der Löwen 1994, Aida 1998 und Der Weg nach EI Dorado 2000) zu den bekannten Werken. Seine (bislang) letzte Textarbeit für ein Musical entstand 2013 mit der Adaption des James-Jones-Romans From Here to Eternity, dessen Verfilmung 1953 mit einem Staraufgebot mit acht Oscars ausgezeichnet worden war.
Tim Rice gehört dankJesus Christ Superstar zu den Wegbereitern des modernen Musicals. Der jugendlich-unbekümmerte, frische Zugang selbst zu biblischen Themen, beispielhaft für die Umwälzungen der 60er Jahre, hat entscheidend dazu beigetragen, dass aus einem verstaubten, US-dominierten Genre ein kommerziell wie künstlerisch erfolgreiches Genre wurde, das bis heute Millionen von Fans begeistert.
DARF MAN DAS? - BETRACHTUNGEN
Kunst, die sich mit Inhalten der Bibel beschäftigt, ist fast so alt wie das Buch der Bücher selbst. Schon im Mittelalter gab es Maler, deren Jesus-Darstellungen das Missfallen der Kleriker herausforderte. Mit der Zeit der Aufklärung begann die Bereitschaft von Schriftstellern und Malern, bewusst zu provozieren. In den 192oer Jahren begann die Verfilmung von Bibelstoffen. In neueren Zeiten und besonders in der modernen Kunst wir~ die Darstellung religiöser Motive viele Fragen auf, allen voran: „Darf man das?“ Wenn nein, warum wird's gemacht? Wenn ja, wie weit darf man gehen?
Wobei - so neu waren die Zeiten gar nicht. Schon 1926, drei Jahre nach dem genannten Henny-Porten-Film, vollendete Max Ernst sein surreales Gemälde Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen: André Breton, Paul Éluard und dem Maler. Dieses Bild stieß sogar im laizistischen Frankreich auf Empörung und veranlasste den damaligen Kölner Erzbischof Schulte im Entstehungsjahr zur Schließung einer Ausstellung in der Domstadt, in der das Gemälde gezeigt werden sollte. Dem Maler wurde angedroht, ihn aus der Kirche auszuschließen; über eine Exkommunikation ist aber nichts bekannt. Und heute hat selbst die katholische Kirche mit dem Werk ihren Frieden geschlossen; mittlerweile wird es in weiten Kreisen als Abrechnung mit einer damals zu sehr idealisierten christlichen Harmonie verstanden. Schließlich war der erste Weltkrieg mit all seiner Gewalt, seinem Leid und seinen Opfern noch immer viel zu gegenwärtig.
Doch die Diskussionen sind nie verstummt - selbst in den Zeiten nach 1945. Das war bei Pier Paolo Pasolinis Verfilmung des Matthäus-Evangeliums (1964) und beim Monty-Python- Film Das Leben des Brian (19 79) nicht anders als bei Madonnas Like a Virgin (1989). Und auch im Januar 2024 werden Blasphemievorwürfe laut, als der Rapper Lil Nas X die Single J Christ veröffentlicht. Damals wie heute sorgen aber nicht nur die Verbindung von Sexualität, Selbstdarstellung und Religion für einen handfesten Skandal, sondern es ist vor allem die filmische Darstellung, sei es im Kino oder als Musikvideo, die altehrwürdige religiöse Gefühle auf die Probe stellt. Das kann doch keine Kunst sein!, heißt es. Denn Jesus als Menschen bzw. das Unaussprechliche in einer anderen als der gewohnten Interpretation sehen zu können bzw. müssen, war und ist nicht wenigen Gläubigen wie auch Kirchenfürsten zu viel.
Auch im Musicalbereich sorgt eine Grenzüberschreitung für heftiges Runzeln so manch gläubiger Stirn. Am 12. Oktober 1971 wird im Mark Hellinger-Theater in New York die Rockoper Jesus Christ Superstar uraufgeführt. Natürlich ruft das sofort christlich-konservative Gruppen auf den Plan: Sie protestieren gegen das „gotteslästerliche Werk“, das die Göttlichkeit Jesu als billige Showklamotte missbrauche, und monieren, dass der Verräter Judas zu sympathisch dargestellt sei.
Zudem sei das Leben und Sterben Jesu als schillerndes Massenspektakel inszeniert. Das American Jewish Committee befürchtet sogar, dass Juden erneut als Mörder Jesu an den Pranger gestellt werden könnten. In Südafrika wie auch einigen Sowjetrepubliken wird das Musical umgehend verboten, Belarus erneuert das Verbot auf Veranlassung der russisch-orthodoxen Kirche sogar noch im Jahre 2012. Nur aus Rom hört man seinerzeit erstaunlicherweise wenig - mal davon abgesehen, dass es gar nicht so lange dauerte, bis die Schallplatte bei Radio Vatikan gespielt wurde.
Ganz anders aber das Publikum. Noch bevor sich an der 51. Straße, einer Seitenstraße des Broadway, der erste Vorhang hebt, ist das Stück bereits für sechs Wochen ausverkauft. Die Besucher feiern das ungewöhnliche Sujet und seine Interpretation mit stehenden Ovationen. Auch heute, mehr als ein halbes Jahrhundert später, ist das Musical auf vielen Bühnen zuhause - in diesem Jahr auch auf der neuen Seebühne.
Die Geschichte des Musicals beginnt bereits ein Jahr vor der Bühnenpremiere. Andrew Lloyd Webber und Tim Rice produzieren 19 70 in London eine Albumversion mit Ian Gillan (Deep Purple) als Jesus, Murray Head (One Night in Bangkok) als Judas, Yvonne Elliman (Filmsongs zu Saturday Night Fever) als Maria Magdalena und Paul Raven (der später als Glam-Rock-Star Gary Glitter Karriere macht) als Priester. Das Album erscheint im Oktober 1970, ist aber in heimischen Gefilden zunächst nur mäßig erfolgreich - unter anderem, weil sich die BBC weigert, die Songs wegen Gotteslästerung im Radio zu spielen.
Jenseits des Atlantiks aber schlägt Jesus Christ Superstar ein. Im Februar 1971 steht das Album zum ersten Mal an der Spitze der US-amerikanischen Billboard's Album Charts.
Single-Auskopplungen von Superstar (Murray Head) und I Don't Know How to Love Him (deutsche Fassung: Wie soll ich ihn nur lieben) von Yvonne Elliman erreichen ebenfalls Top- Platzierungen.
Der Erfolg kann eigentlich nicht verwundern. Die späten 1960er und frühen 1970er Jahre sind die Jahre, in denen die junge Generation die Moralvorstellungen der Eltern abstreift wie einen lästigen Mantel; Jahre, in denen neue, eigene Ziele gesucht werden, in denen man der Kriege der Zeit überdrüssig wird und den Frieden will, in denen die Liebe das ultimative Ziel ist. Bereits 1967 hatte das Musical Hair die Tore der Popkultur weit aufgestoßen. Es ist die Zeit, in der insbesondere junge Menschen auf der Suche nach Seelenheil sind, was manches Mal in Sekten endet, aber häufig zu einer tiefen Religiosität führt - wenn auch zu einer anderen, als die Eltern vorgelebt hatten. Nicht mehr die Institution ist wichtig, sondern die Menschen sind es, auf denen die Religion fußt, allen voran Jesus und Maria Magdalena, die durchaus als Paar verstanden werden, und natürlich Judas, aus dessen Sicht im Musical die letzten sieben Tage Jesu erzählt werden - und das können die Kirchen weder verstehen, noch gutheißen. Andrew Lloyd Webber hatte ursprünglich die Idee, das Musical nach Judas zu benennen, aber dem 22-jährigen Komponisten wurde vehement davon abgeraten.
Schließlich steht Judas für Verrat, zudem ist er ja nicht ganz unschuldig am Verlauf der christlichen Geschichte. Wenn man die Evangelien neutral betrachtet, drängt sich allerdings eine Frage auf, der sich die institutionellen Kirchen immer verweigert haben: Was wäre aus Jesus geworden, hätte es Judas nicht gegeben? Er ist bekanntlich derjenige, der an den Ideen, für die Jesus steht, zu zweifeln beginnt, als er begreift, dass der Kult um dessen Person überhand nimmt; zudem schwindet seiner Meinung nach die Glaubwürdigkeit des Gottessohns, wenn er mit einer ehemaligen Prostituierten in Verbindung gebracht wird. Dass Judas zumindest im zweiten Punkt mit den Grundsätzen der christlichen Kirche übereinstimmt, wird in Jesus Christ Superstar sehr deutlich gezeigt - und eben diese Gemeinsamkeit darf es nicht geben für die christlich-konservativen Kreise, die darüber hinaus noch von den Äußerlichkeiten abgeschreckt werden: Jesus und seine Jünger ähneln den Hippies, den Gammlern, den Nonkonformisten jener Zeit mehr, als es den etablierten religiösen Vorstellungen entsprechen darf.
Aber auch die fundamentalen Anhänger des traditionellen Religionsverständnisses müssen irgendwann erkennen, dass die Rockoper - heute zählt sie als Musical - bei jungen Leuten tatsächlich mehr für die Religion erreicht, als es die angestaubte Liturgie kann. Nicht umsonst entstehen in jenen Jahren viele neue Formen des Gottesdienstes: Rockmusik hält ebenso Einzug wie englische Texte, aus der „One-Man-Show“ des Pfarrers wird ein Miteinander, neue Kirchenlieder entstehen.
Und so kann es auch nicht verwundern, dass die Melodie des Songs The Last Supper (Das letzte Abendmahl), mit dem der zweite Akt eröffnet wird, schon 1975 in einigen katholischen Gesangbüchern eine Heimat findet, allerdings mit einem anderen Text versehen (Nimm, o Gott, die Gaben, die wir bringen). Seit 2013 steht das Lied unter der Nummer 188 im Gotteslob, dem gemeinsamen Gebet- und Gesangbuch der römisch-katholischen Bistümer in Deutschland, Österreich, Südtirol und der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens.
Deshalb kann man die anfangs aufgeworfene Frage „ Darf man das?“ getrost mit einem klaren „Ja“ beantworten. Und die Tatsache, dass das Mark Hellinger Theater, Ort der Uraufführung von Jesus Christ Superstar, heute als Kirchengebäude dient, lässt sich sicherlich nicht schöner erfinden. Manchmal, so scheint es, wird die Realität wohl doch göttlich gelenkt ...
Matthias Gerschwitz
INTERVIEW MIT TILL KLEINE-MÖLLER
Till Kleine-Möller absolvierte ein Musicalstudium und den Master-Studiengang „Regie - Musiktheater und Schauspiel“. Seit 2015 inszeniert er Musiktheater, Operetten, Opern und Musicals. 2018 war er Preisträger des Sonderpreises der Jury der proskenion-Stiftung für seine Inszenierung von „How to kill your mother. Projekt Elektro“. Mit dem Musical „Jesus Christ Superstar“ wird er 2024 die neue Bühne in Eutin eröffnen.
Jesus Christ Superstar galt in den ersten Jahren als Skandal, denn die Bibel war eigentlich unantastbar.
Ist die Historie für Sie Ansporn oder Ballast?
Der Skandal lag weniger in der Unantastbarkeit der Bibel, als in der Debatte zwischen den liberalen und den konservativen Christen, ob es sich nicht um Gotteslästerung handeln würde. Die Göttlichkeit von Jesus Christus werde im Stück hinterfragt und der Verräter Judas als sympathische Figur dargestellt. Geschmacklos erschien auch, dass Jesus Christus in der Aufführung mit bunter Hippie-Ästhetik wie ein Rockstar inszeniert wurde und dass er mit der Prostituierten Maria Magdalena ein Liebesverhältnis hat. Nun, um vorzugreifen:
Auch ich habe neue Ansätze, die den konservativen Christen wie eine bittere Hostie auf der Zunge liegen wird. Oder sind Homosexualität, Genderfluidität und Auswirkungen von Social Media die Themen, mit der sich die katholische Kirche offen und zeitgemäß auseinandersetzt? Ich denke in der damaligen Debatte um Realitätstreue gegenüber den Interpretationsansätzen der Autoren des Stückes steckt schon der Grundansatz der Geschichte Jesus.
Ging es im Kern nicht immer um eine vermeintlich korrekte Wiedergabe der biblischen Passion?
Ich denke, in der damaligen Debatte um Realitätstreue gegenüber den Interpretationsansätzen der Autoren des Stückes steckt schon der Grundansatz der Geschichte Jesus, sofern man an ihn glauben möchte. Nun gilt er nicht nur im Christentum, sondern auch im Islam (Prophet) oder im Judentum (Lehrer) als eine Art Botschafter. Also ein Mensch der anderen Menschen eine Botschaft übermittelt. Und nur der Botschaftsbringer selbst, kennt die Worte und deren Bedeutung. Der Mensch, der diese Botschaft aufnimmt, weitergibt, sie verteidigt und dafür kämpft, übermittelt seine Form der Botschaft, die, so gut er möchte, nicht mehr die gleiche Bedeutung in sich trägt und vielmehr eine Interpretation der ursprünglichen Botschaft darstellt. Denn wie so oft entsteht aus einer kleinen Änderung eines Details eine grundsätzlich andere Bedeutung der eigentlichen Aussage.
Wie also möchte man sich anmaßen, die Botschaft eines Gottes Sohns, eines Propheten oder Lehrers zu kennen, wenn dieser doch vor über 2000 Jahren gelebt haben soll? Dieser Gedanke beruhigt mich, denn ich kann genauso falsch liegen wie jeder andere, der meint die Botschaft zu verstehen.
Und ich sehe mich auch nicht in der Position, mich mit meiner Auseinandersetzung des Stücks dem christlichen Glauben gegenüber zu rechtfertigen, denn dann müsste ich es dem Islam, dem Judentum, den Mandäern, dem Manichäismus, der Bahai und dem Hinduismus gleich tun. Und polemisch gefragt: Wie soll ich einem Muslim erklären, dass nun Jesus gekreuzigt wird und nicht Judas Iskariot, wie in der Koranexegese steht. Ich denke, wenn man sich an die persönliche Entwicklung mit den menschlichen Konflikten der Figuren im Stück hält, sollte die Geschichte für alle Zuschauer*innen egal welcher religiösen Zugehörigkeit ein Narrativ hervorbringen.
Und ein Skandal entsteht immer erst in den Köpfen und da muss ich sagen, sollte man oft seine eigenen Gedanken hinterfragen.
Welche Botschaft steckt in Jesus Christ Superstar?
Ich maße mir weder an, zu sagen, was die Botschaft von Jesus, noch von Andrew Lloyd Webbe rund Tim Rice war. Und mit diesem Gedanken bin ich den Figuren des Stückes, und ich sage bewusst des Stückes, weit voraus. Denn jede Figur meint zu wissen, zu kennen, was Jesus sagt, was er denkt, was er kann, was er fühlt, was er sein will und wonach er strebt. Und keiner außer Jesus selbst weiß das. Das ist die menschliche Tragödie dahinter. Denn um nichts weiter geht es für mich dabei: Einen Menschen, der auf der Welt ist und für das Menschliche einsteht. Die Dynamik, die durch seine Anhänger und Widersacher um ihn herum entsteht, erschüttert diesen Gedanken und lässt den Menschen Jesus zweifeln und sich fast selbst verlieren. Und ging und geht es nicht damals und heute darum, den Menschen gegenüber zu akzeptieren und nicht sein eigenes Bild auf ihn zu projizieren? Jesus steht als Figur im Stück für die Menschlichkeit, die uns so oft fehlt und auch für eine Ikone, die wir erschaffen, obwohl das nicht die Intention des Menschen war, den wir dazu machen.
Wo sehen Sie den Schwerpunkt Ihrer Inszenierung? Was ist Ihnen besonders wichtig?
Mir geht es um die menschlichen Aspekte der Figuren. Es geht mir um die Motivationen, aus denen sie handeln und ihr Handeln rechtfertigen. Es geht um die persönlichen Konflikte, die sie mit anderen Figuren oder mit sich selbst austragen müssen und somit zum Teil der Tragödie werden. Es geht im Großen und Ganzen um eine soziale Dynamik, die den Sinn und die Intention Jesus verfremdet - ja sogar verfälscht. Es geht um eine Gesellschaft, die für und die gegen ihn ist.
Soziale Konstrukte, die ihn heroisieren oder auf der anderen Seite als Sündenbock und Vertreter der „Andersartigkeit „ darstellen. Jesus ist ein Mensch, der für Menschlichkeit steht, doch es ist weniger seine Botschaft, die im Vordergrund steht - vielmehr wird er selbst zum Gegenstand der Debatte. Wie oft erleben wir auch in der heutigen Zeit „kleine Propheten“, bei denen es nicht mehr um den Sinn der Worte geht, sondern viel mehr um den Auftritt, die Fehler, das Aussehen, Erfolge und Misserfolge. Leider gerät bei diesen Dynamiken der eigentliche Sinn der Botschaft in den Hintergrund und versinkt in den Tiefen der medialen Berichterstattungen, nicht zuletzt durch die rasante Verbreitung in den sozialen Medien. Und genau da setze ich mein Konzept an. Die historischen Jünger und Anhänger Jesus sind auf unsere heutige Gesellschaft übertragen eine Followerschaft, die über Nacht exponentiell steigt und eine globale Dynamik entwickeln kann.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Nehmen wir einmal Greta Thunberg. Nun wird unser Jesus nicht zwei geflochtene Zöpfe tragen, aber ist nicht genau das, dass wir als Bild von Greta vor Augen haben? Wer erinnert sich noch an die Anfänge, als das schwedische Mädchen mit einem Pappschild 2018 vor dem schwedischen Reichstag für das Klima streikte. Was kaum jemand weiß, dass sie schon drei Jahre zuvor begann sich für den Klimaschutz einzusetzen. Heute wird sie vielmehr mit ihrem Aussehen und der globalen Fridays For Future Bewegung in Verbindung gebracht, wenn man nicht gerade darüber berichtet, welche Verkehrsmittel sie benutzt. Doch über den Sinn ihres Engagements wird weniger debattiert, als über ihre Wortwahl selbst. Ich sehe da sehr enge Parallelen zu der Figur Jesus im Stück. Großen Einfluss auf die Meinung über ihre Person haben natürlich die Medien und allen voran die Sozialen Netzwerke als Katalysator der Stimmungsmache und Meinungsbildung. Diese Entwicklung der Intermedialität möchte ich auch auf der Bühne aufgreifen.
In welcher Form soll das geschehen?
Zusammen mit meinem Videokünstler Grigory Shklyar erarbeite ich ein Konzept zur Umsetzung auf der Bühne. Neben vorgefertigten Videos und Animationen wird auch der Einsatz von Livekameras ein Aspekt spielen. Dies wird über mehrere LED-Screens auf der Bühne zu sehen sein. Wir werden Socialmedia-Plattformen entwickeln, die den Jesus-Trend zeigen und Jesus zum zeitgenössischen Influencer verwandeln. Kommentiert und gefüttert durch seine Followerschaft und Widersacher. Natürlich fördert der Einsatz der Live- Kameras (Einsatz von Handys) auch die bessere Sicht auf die Emotionen der Darsteller*innen, die dann überlebensgroß auf die LED-Screens übertragen und somit den Zuschauer*innen auf der neuen Tribüne mit fast 2000 Plätzen erlebbar gemacht werden.
Welche Herausforderungen stellt das Werk an die Darsteller und die Regie?
Zwar kritisierte die New York Times, das Musical sei „der Gosse näher als einem Gospel“ und die Musik wird bis heute der leichten Unterhaltungsmusik zugeschrieben, jedoch muss man sagen, dass gerade die Partien der Hauptfiguren Jesus und Judas von nur wenigen Menschen mit Bravour interpretiert werden können. Wir haben dafür wirklich zwei außergewöhnliche Personen gewonnen. Da es keine Dialoge in dem Stück gibt, liegt natürlich die erste Herausforderung darin, die „leichte Unterhaltungsmusik“ nuanciert zu interpretieren und den Stil des Rocks stark auszuarbeiten. Dafür arbeite ich Hand in Hand mit dem musikalischen Leiter, Christoph Bönecker, zusammen, da ich finde, dass nicht nur die Leitmotive die szenische Motivation für die Figuren bilden, sondern auch der Gesamtcharakter der Musik die Dynamik der Handlung unterstützt. Für mich liegt dann, zusammen mit den Darsteller*innen, die Herausforderung darin, die Songs inhaltlich gut zu arbeiten, um die fehlenden Dialoge zwischen den Songs zu kompensieren. Darauf freue ich mich aber schon sehr, da das gesamte Cast aus sehr spielfreudigen Darsteller*innen besteht.
Es gibt sicher nicht zuletzt wegen der Aufführungen unter freiem Himmel noch mehr zu bedenken.
Da kommen natürlich die technischen Herausforderungen bezüglich der Videos und Kameras hinzu, die mit dem mobilen Bühnenbild von Jörg Brombacher und dessen Verwandlungen einen reibungslosen Ablauf erfordern. Die Bühnenbildelemente werden für jeden Song von den Darsteller*innen selbst bewegt und umgebaut, um nicht nur die Szenenwechsel anzudeuten, sondern auch eine zusätzliche Dynamik in das Stück zu bringen. Da die gesamte Bühne und Tribüne neue Dimensionen verspricht, kann man in vieler Hinsicht auch nicht auf Erfahrungswerte aufbauen. So müssen alle Beteiligten sich neu einstellen und die neuen Gegebenheiten kennenlernen. Natürlich soll auch nicht der Eindruck entstehen, ein alt-bewährtes Stück nun mit einem zeitgenössischen Korsett einzuschnüren und mit der Regiekeule zu zerlegen. Vielmehr haben wir die Vision ,Jesus als eine Art 2.0 Figur zu etablieren, dessen historische Geschichte, wie im Stück erwähnt, sich immer erneut wiederholt und wir davon ausgehen, dass es immer wieder einen Jesus, in welcher Form auch immer, geben wird, der diese Welt besucht, um seine Werte zu vermitteln. Und zu guter Letzt gilt es natürlich auch optisch das Publikum mitzureißen, sei es durch die Choreografien oder Kostüme von Timo Radünz, die wandelbare Bühne oder das Lichtdesign, wofür ich selbst Verantwortung tragen werde. Denn trotz aller theologischen Fragen und gesellschaftskritischen Auseinandersetzungen zu dem Thema soll das Stück, welches zwar als Rockoper tituliert wird, aber dennoch als Musical gilt, vor allem eines - unterhalten.
Was soll/darf/kann der Besucher der Seebühne nach einer Vorstellung von Jesus Christ Superstar mitnehmen? Was wird haften bleiben?
Zuallererst soll ein unterhaltsamer Abend entstehen, der die Zuschauer begeistern und mitreißen soll. Die Neugier auf die neue Bühne soll natürlich durch die Kraft der Inszenierung mehr als befriedigt werden und auch wieder junges Publikum begeistern. Vielleicht setzt sich der ein oder andere nach der Inszenierung mit der Figur des Jesus und seiner Geschichte erneut auseinander und findet einen neuen Zugang zu einem Stück Kulturerbe.
Denn wie Bertold Brecht auf die Frage antwortete, welches Buch das wichtigste der Weltliteratur sei: „ Sie werden lachen, die Bibel!“ - kann man, ob man nun einen religiösen Zugang oder nicht hat, die Wurzeln der Menschenrechte in diesem Werk finden.
In unserer Umsetzung geht es um die Menschlichkeit und wie wir Menschen sie immer wieder verlieren und neu finden und schätzen müssen. Dabei spielt der Aspekt des Glaubens eine untergeordnete Rolle, denn jeder Mensch trägt für sein Handeln die Verantwortung gegenüber sich selbst und seinen Mitmenschen. Und fern ab jeglicher politischen Debatten ist das Theater doch der perfekte Rahmen, um über das Miteinander zu reflektieren und gemeinsam mit seinen fast 2000 Sitznachbarn zu erleben.
Das Interview führte Matthias Gerschwitz
VOM VAUDEVILLE ZUR ROCKOPER
Im 18. und frühen 19.Jahrhundert beschränkte sich das Bühnenangebot in den europäischen und amerikanischen Städten auf Sprech- oder Musiktheater, zuweilen auch in einer Kombination, die sich aus der Opera comique entwickelt hatte. In den USA etablierten sich ab etwa 1860 sogenannte Vaudeville-Shows: das sind Revue- oder Varieteprogramme mit einer zusammenhanglosen Folge von Musik-, Tanz- und Akrobatiknummern. Das Adjektiv „musical“ wurde zunächst nur als ergänzende Bezeichnung verwendet: Musical Play, Musical Comedy oder Musical Show. Als erstes tatsächliches „Musical“ wird das am 12. September 1866 am New Yorker Broadway aufgeführte The Black Crook (Der Schurke in Schwarz) bezeichnet, auch wenn es sich hierbei wohl eher um eine Art komische Oper mit Balletteinlage gehandelt hat.
Aufführungen dieser Art wurden in den USA aufgrund der luxuriösen Ausstattung und der aufwändigen Effekte auch als „Extravaganza“ bezeichnet.
Um die Jahrhundertwende entwickelt sich der Broadway zum Theaterdistrikt. Nach dem Ersten Weltkrieg wird er zudem zu einem Schmelztiegel vieler Nationalitäten, Hautfarben, Konfessionen und sozialer Schichten. Hier kommen die unterschiedlichsten Formen der Unterhaltung zusammen:
Jazz und Swing, Oper und Operette, Sprechtheater und Revue, Burlesque, Vaudeville und viele weitere bilden eine Melange, die dem Publikum Abwechslung und immer neue Attraktionen verspricht. Von ihrer Struktur und dem dramaturgischen Aufbau her gesehen ist sicherlich die Operette der legitime Vorläufer des Musicals, denn beide haben einen durchgehenden Handlungsstrang. Allerdings entfallen am Broadway die noch in Wien, Paris oder Berlin üblichen Musiknummern im 3/4-Takt, die durch viele Facetten des Jazz ersetzt werden. Die Themen sind leicht und boulevardesk wie in Gershwins Lady Be Good (1924) oder ernsthaft und sozialkritisch wie bei Jerome Kerns Show Boat (1927). Die Komponisten jener Zeit - neben Gershwin und Kern sind es vor allem Cole Porter und Irving Berlin - schaffen es, das Musical trotz der aufkommenden Tonfilmkonkurrenz zu einem ersten Höhepunkt zu führen, der von nachfolgenden Text- und Tondichtern wie Richard Rodgers, Lorenz Hart oder Oscar Hammerstein weitergeführt und ausgebaut werden kann, bis schließlich Frederick Loewe (My Fair Lady, Eutin 2018) oder Jerry Herman (Hello Dolly! oder Ein Käfig voller Narren, Eutin 2022) ihre eigenen Akzente setzen. Mit Beginn der 1950er Jahre wandert das Musical auf die Leinwand; Musicalstoffe werden verfilmt oder Drehbücher wie Musicals inszeniert.
Mit Leonard Bernstein (West Side Story, 1957) oder John Kander & Fred Ebb (Cabaret, 1966 - Eutin 2021) verliert das Musical sein aufgesetztes Lächeln und wird erwachsen. Beinahe revolutionäre Experimente wie Hair, Jesus Christ Superstar oder The Rocky Horror Picture Show eröffnen dem Genre eine neue Zielgruppe. Daneben halten sich tapfer klassische Produktionen wie Grease, Gigi oder 42nd Street. Doch es ist absehbar, dass sich das Musical breiter aufstellen wird: A Chorus Litte wirft 197 5 einen Blick hinter die eigenen Kulissen, Andrew Lloyd Webber ersetzt bei Evita 1978 Dialoge durch Musik und erschafft damit das heute noch gültige Erscheinungsbild des Musicals.
Waren in den 1950ern noch Musicals verfilmt worden, werden ab den 1990ern Filme zu Musicals umgearbeitet. Zusätzlich entsteht ein neues Untergenre: Sogenannte Jukebox-Musicals bedienen sich musikalisch am Werk einer Künstlerin, eines Künstlers oder einer Band, um eine Geschichte zu erzählen: Buddy (Buddy Holly), Mamma Mia! (ABBA) oder „Ich war noch niemals in New York (Udo Jürgens) sind bekannte Vertreter dieser Gattung. Und mit dem Einstieg der Walt Disney Company in den Musicalmarkt - 1994 erscheint Die Schöne und das Biest - wird das Musical endgültig kommerzialisiert. Trotzdem - oder vielleicht auch gerade deswegen - kann man in den letzten Jahren wieder den Trend zur Rückbesinnung auf die Klassiker spüren, die - nur minimal aktualisiert - die Besucher wie früher in den Bann ziehen. Die vielen ausverkauften Vorstellungen auf der Eutiner Seebühne, die sich ab diesem Jahr in einem neuen, modernen Gewand zeigt, sind dafür der beste Beleg. Hier gilt auch weiterhin:
Gute Unterhaltung!
JESUS - EIN INFLUENCER?
Das Bühnenbild der Eutin er Festspiele lässt bei Jesus Christ Superstar keinen Zweifel aufkommen: Das Musical wird digital. Regisseur Till Kleine-Möller hatte die Idee, die Faszination, die Jesus zu seiner Zeit in Galiläa allein mit seiner Person und seiner persönlichen Anwesenheit unter den Anhängern (und noch mehr unter den Noch-nicht-Anhängern) auslöste, 2000 Jahre später ins digitale Zeitalter zu übertragen: „ Wir wollen eine moderne Übersetzung von Jesus 2.0 schaffen mit seiner Followerschaft und allem, was dazugehört“, lautet ein Kernpunkt des Regiekonzepts. Dabei geht es aber nicht um eine moderne Form der Verkündigung des christlichen Glaubens, sondern viel mehr um die Frage, welche Kommunikationswege heute genutzt werden, um Botschaften an die Menschen zu bringen.
Bühnenbildner Jörg Brombacher hat dafür ein Szenarium geschaffen, das die Digitalisierung nicht nur symbolisiert, sondern auch erlebbar macht. Die Bühne wird beherrscht von als überdimensionierte Smartphones gestalteten kleineren und größeren Installationen, die eine flexible Kulisse ermöglichen. In der Hauptsache aber dienen sie als Projektionsfläche für vorgefertigte Videos von VideoArtist Grigory Shklyar und von den Darstellern während der Vorstellung selbst angefertigten Live-Aufnahmen.
Soziale Medien, digitale Transformation, künstliche Intelligenz: Unsere Gesellschaft ist schon seit Längerem im Umbruch. Das analoge Zeitalter hat sein Ende erreicht, die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran. Statt gedruckter Bücher oder Zeitungen werden elektronische Medien genutzt, statt klassischen Fernsehens gibt es immer mehr Streamingangebote, die jederzeit und überall abgerufen werden können. Quantität zählt mehr als Qualität. Im Internet kann sich jeder verwirklichen und neu erfinden. Die digitale Inszenierung braucht keine Wahrheiten, sie erschafft sich ihre eigene Realität.
Wer heute die Massen - oder zumindest einen Teil davon - erreichen will, muss mehr bieten als die Verwandlung von Wasser in Wein oder die Speisung der Fünftausend mit wenigen Broten. Auch reicht eine einzige Bergpredigt in Zeiten des „information overflow“ schon lange nicht mehr aus. Lange Texte langweilen eine Generation, deren Aufmerksamkeitsspanne nicht einmal mehr für einen 90-Sekünder der Tagesschau ausreicht. Kurze, knackige, aufmerksamkeitsstarke Botschaften, die sich immer wieder mit demselben Themengebiet befassen, sind die besten Voraussetzungen für Erfolg, wo bei der Kontext wie auch der Wahrheitsgehalt solcher Botschaften unwichtig wird. Das einzige, was zählt, sind hohe Reichweiten; die moderne Währung heißt „Follower“. Kaum ein Influencer würde sich heute mit einem Dutzend Anhänger begnügen, schon der Begriff „Jünger“ stieße auf Ablehnung: zu altbacken, zu wenig aussagekräftig, zu unsexy.
Hätte Jesus in unserer Zeit überhaupt eine Chance? Könnte er, könnte seine Botschaft sich in den modernen Medien noch durchsetzen, oder müsste er Shitstorms befürchten? Ein Satz wie „ Selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich“ (Matth. 5,3) kann heute leicht aus dem Kontext gerissen, umgedeutet und missverstanden werden; eine Aufforderung wie „Liebe deine Feinde“ (Matth. 5,44) wird im digitalen Zeitalter ungehört verhallen, denn die Nutzung der (angeblich) sozialen Medien funktioniert nicht nach dem Belohnungs-, sondern dem Strafprinzip: Ein Fehler, ein Missverständnis, ein unbedachtes Wort wiegen mehr als hundert zustimmungsfähige Aussagen.
Der faszinierende Gedanke hinter Till Kleine- Möllers Inszenierung liegt darin, dass Jesus heute nicht mehr als der „Messias biblischer Prägung“ erscheinen würde, sondern sich als einer von vielen Influencern im digitalen Raum behaupten müsste - mit Followern, die ihn bestärken; mit Gegnern, die ihm schaden wollen; mit Konkurrenten, denen jedes Mittel recht ist, ihn in Reichweite und Bedeutung zu übertreffen.
Mehr als 50 Jahre nach der Uraufführung des Musicals 1971 stellt sich die Eutiner Inszenierung dieselbe Frage, die schon Andrew Lloyd Webber und Tim Rice bewegte: Wie schafft man es, eine uralte Geschichte so modern zu erzählen, dass sie auch heute noch unterhält und mitreißt, aber gleichzeitig zum Nachdenken anregt? Und genau, wie das Musical seinerzeit die konservativen Christen auf die Barrikaden trieb, legt auch Till Kleine-Möller den Finger in die Wunde:
Wann werden die christlichen Kirchen ihre institutionelle Schwerfälligkeit ablegen und sich den Veränderungen der Gesellschaft stellen? Und wie lange wird es noch dauern, bis auch hier die digitale Kommunikation als Chance wahrgenommen wird?
Matthias Gerschwitz
Informationen
GESANGSTEXTE VON TIM RICE
MUSIK VON ANDREW LLOYD WEBBER
Dirigent: Christoph Bönecker
Regie: Till Kleine-Möller
Bühnenbild: Jörg Brombacher
Videobild: Grigory Shklyar
Lichtdesign: Rolf Essers
Kostümbild: Timo Radünz
Choreographie: Timo Radünz
Orchester: Kammerphilharmonie Lübeck (KaPhiL!)
Alle Gesangstexte in englischer Sprache.
Dauer: Ca. 2 Stunden inklusive 30 minütiger Pause.
Die Übertragung der Aufführungsrechte erfolgt in Übereinkunft mit den Originalrechteinhabern THE REALLY USEFUL GROUP LTD, LONDON durch die MUSIK UND BÜHNE Verlagsgesellschaft, Wiesbaden.
Tickets / Termine
Künstlerisches Team
Hinweis: Die historischen Texte und Abbildungen dieser Rückschau (bis in die 1950er Jahre) stammen aus den jeweiligen Programmheften und Fotosammlungen und spiegeln ihre Zeit. Sie könnten Begriffe und Darstellungen enthalten, die heute als diskriminierend oder unangemessen gelten. Die Eutiner Festspiele distanzieren sich daher ausdrücklich von solchen Inhalten. Auch die Erwähnung teils umstrittener Persönlichkeiten erfolgt ausschließlich im historischen Zusammenhang. Der digitale Rückblick soll Geschichte transparent machen und zur kritischen Auseinandersetzung mit Sprache, Haltung und Zeitgeschehen anregen. Wo erforderlich, ergänzen wir erläuternde Hinweise. Hinweise auf sachliche Fehler oder notwendige Kontexte nehmen wir gerne unter info@eutiner-festspiele.de entgegen.