
Handlung
Vorgeschichte:
Notar Dr. Falke und sein Freund, der Rentier Gabriel von Eisenstein, besuchten einmal in Wien gemeinsam einen Maskenball, Eisenstein als Schmetterling, Falke als Fledermaus, eine im 19. Jahrhundert beliebte Faschingskostümierung. Auf dem Heimweg setzte Eisenstein den seiner Sinne nicht mehr mächtigen Freund auf dem Marktplatz ab, und zum Gespött der Passanten musste Falke am Morgen nach Hause „flattern“. Seit dieser „Fledermaus-Affäre“ hat Falke Rachepläne geschmiedet, die er nun endlich ausführen kann:
1. Akt
Eisenstein soll am Abend wegen des schwerwiegenden Deliktes der Beamtenbeleidigung eine Arreststrafe antreten, vor der ihn auch das Talent seines Advokaten Dr. Blind nicht bewahren konnte. Nicht nur aus diesem Grunde ist Eisensteins Frau Rosalinde recht nervös: Alfred, ihr früherer Sängerkollege und Liebhaber, bringt sich unüberhörbar in Erinnerung, zumal er sich verbesserte Aussichten auf ein Rendezvous macht. Außerdem ersucht Adele, Rosalindes Stubenmädchen, um Ausgang zum angeblichen Besuch einer todkranken Tante. In Wirklichkeit erhielt Adele von ihrer Schwester auf Veranlassung Falkes eine Einladung zum Gartenfest des Prinzen Orlofsky, das sie im Ballkleid ihrer Gnädigsten besuchen möchte.
Bevor Eisenstein von Rosalinde rührenden Abschied bei einem üppigen Souper nehmen könnte, erscheint sein Freund Falke, um ihn vor Haftantritt auf den Ball des russischen Prinzen zu entführen. Inkognito, versteht sich' Rosalinde, die von Falke in die Ballexkursion ihres Mannes eingeweiht wird, zeigt sich ebenfalls animiert, auf dem Fest zu erscheinen, inkognito selbstverständlich!
Kaum haben die Eheleute schmerzlichen Abschied genommen, erscheint Alfred zum trauten Tête-à-Tête, das aber sehr bald von Gefängnisdirektor Frank unterbrochen wird. Als vermeintlichen Arrestanten lässt er Alfred abführen. der die Rolle Eisensteins leidenschaftlich und opferbereit mimt.
2. Akt
Beim Gartenfest des exzentrischen Prinzen hat Falke die handelnden Personen seiner Rache-Inszenierung versammelt. Adele wird von ihrer Schwester Ida als Schauspielerin eingeführt. Adele spielt die Rolle des „Fräulein Olga“ unbeirrt weiter, als ihr Falke Eisenstein unter dem Namen „Marquis Renard“ vorstellt. Gefängnisdirektor Frank freundet sich als „Chevalier Chagrin“ schnell mit dem angeblichen „Marquis“ an. Rosalinde, als ungarische Gräfin angekündigt und geheimnisvoll maskiert, wird sogleich von Eisenstein umworben. Ahnungslos flirtet er mit seiner eigenen Frau. die ihm seine Taschenuhr als Beweisstück entlocken kann. Die champagnerselige Ballnacht endet um sechs Uhr früh. Eisenstein bricht zum Gefängnis auf, Frank zum morgendlichen Dienst. Orlofsky, der von Falke in den Racheplan eingeweiht worden ist, kann endlich wieder über einen Spaß lachen.
3. Akt
Der Gerichts- und Gefängnisdiener Frosch hat in Abwesenheit seines Vorgesetzten die Ordnung im Gefängnis aufrechterhalten, vor allem dank kräftigen Alkoholgenusses. Noch in Sektlaune tritt Direktor Frank seinen Dienst an. Ihn suchen Adele und lda auf, um ihn als „Mäzen“ für Adeles Künstlerlaufbahn zu gewinnen. Dann gibt es ein zunächst freudiges Wiedersehen mit dem „Marquis Renard“, wobei es dem Gefängnisdirektor nicht einleuchten will, dass der „Marquis“ unbedingt Eisenstein sein will, den er doch am Vorabend persönlich inhaftiert habe. Der echte Eisenstein beginnt, auf den Verehrer seiner Frau eifersüchtig zu werden. In der Robe des Advokaten Blind, den der noch einsitzende Alfred hat kommen lassen, vernimmt Eisenstein Rosalinde und den vermeintlichen Delinquenten. Wütend fordert er zum Duell. Da hält Rosalinde ihm seine Uhr entgegen: Die Bilanz der beiderseitigen „Verfehlungen“ erscheint ausgeglichen.
Zum guten Ende klärt Falke, der mit Orlofsky und der ganzen Ballgesellschaft im Gefängnis eingetroffen ist, alle Verwirrungen als Bestandteil seines Racheplanes auf. Schuldig ist nur der Champagner.
„Glücklich ist, wer vergisst…!"
Zur Entstehung
Vieles wirkte zusammen, um der dritten Strauß-Operette besonderes Gewicht zu verleihen. Im Sommer 1873 wurde in Wien nach Pariser und Londoner Vorbild ebenfalls eine Weltausstellung abgehalten, aber das Unternehmen geriet sogleich in eine Krise, die ihrerseits einen Kurssturz katastrophalen Ausmaßes an der Börse auslöste. Ganz zwangsläufig wurden auch die Theater in Mitleidenschaft gezogen, und ihre Direktoren suchten verzweifelter denn je nach Kassenerfolgen. Auf der Suche nach aussichtsreichen Stücken waren die Wiener Direktoren auf das Vaudeville „La Revellion“ der auch als Offenbach-Librettisten bekannten Autoren Meilhac und Halevy gestoßen, das in Paris gefallen hatte. Nach einigem Hin und Her entschloss sich Maximilian Steiner, aus dem Vaudeville ein Libretto für Johann Strauß machen zu lassen. Die Hauptarbeit fiel dabei Richard Genée zu, und der geschickte Kapellmeister ist dem Komponisten zweifellos auch bei der Ausarbeitung der Partitur an die Hand gegangen. Strauß begeisterte sich an dem Stoff, vor allem aber an dem Milieu, in dem die Handlung nun spielte. Der Trubel um die Weltausstellung regte die Stimmung des Komponisten weiter an, in enger Zusammenarbeit mit Genée schrieb Strauß in seiner Villa in Hietzing die Partitur rasch in einem Zug nieder. Im Frühjahr 1874 wurde das nunmehr „Die Fledermaus“ betitelte Stück in aller Eile geprobt, die Theaterkrise ließ keinen Aufschub der Premiere zu. Am Ostersonntag, dem 5. April 1874, ging „Die Fledermaus“ zum ersten Male über die Bretter des Theaters an der Wien, weder fertig geprobt noch in allen Rollen mit ersten Kräften besetzt. Trotzdem erzielten Werk und Aufführung mit Johann Strauß am Dirigentenpult unbestreitbar einen vollen Erfolg. Johann Strauß sah sich als Operettenkomponist bestätigt! Nach 45 ausgezeichnet besuchten Vorstellungen trat „Die Fledermaus“ im Juli ihren Siegeszug um die Welt an.
„Die Fledermaus“ – eine Jahrhundertoperette
Siegfried Grate
Johann Strauß war kein Theatermensch. Der Versuch. ihn zu einer Operette zu bewegen, war jahrelang misslungen. Erst seiner Frau Jetty gelang es, den in seiner innersten Natur konservativen und ängstlichen Walzerkönig, dem bereits Offenbach das Operettenschreiben empfohlen hatte. der Bühnenwelt zuzuführen. Dass ihm dabei mit der „Fledermaus“, die er mit siegessicherem Instinkt in knapp zweiundvierzig Tagen niederschrieb, ein Meisterwerk gelang, gehört zu den liebenswürdigsten Kuriosa in der Geschichte der heiteren Musik.
Dabei hatte es die „Fledermaus“ nicht leicht, sich anlässlich ihrer Wiener Erstaufführung am 5. April 1874 gegen Fehl- und Vorurteile durchzusetzen. Die Entstehungsgeschichte weist Parallelen zu „Carmen“ und „Butterfly“, die ja auch zunächst ungehört blieben, auf; und erst auf dem Umweg über Berlin konnte die Operette mit dem so gar nicht eleganten Titel ihre Reise um die Welt antreten, ein wahrer Triumphzug mit gigantischen Aufführungssziffern, Beweis für die über ein Jahrhundert nicht verblassende Leuchtkraft dieser seit Gustav Mahler auch für staatsopernwürdig befundenen „Königin der Operette“.
Diesen Erfolg mag Johann Strauß, der hartnäckige Bühnenzauderer, selbst am wenigsten vorausgeahnt haben. Als er sich dennoch einstellte, soll es für ihn eine körperlich-seelische Eruption, die ihn bis zu Tränen des Glücks erschütterte, gegeben haben. Dass hier – ähnlich wie in Mozarts „Figaro“ und Verdis „Falstaff“ – die vollkommene Synthese von Musik und Theater gelang, zählt zu den Sternstunden des ganzen Jahrhunderts. Die Frage bleibt aber, inwieweit es der Glücksfall eines Textbuches oder ob es des Meisters unerschöpfliche Walzerseele war, aus der mit dionysischer Kraft der Quell zum unsterblichen Musiklustspiel hervorschoss. Vielleicht so: Strauß war in seinem Element und wusste die Chance zu nutzen: Ein Ball selbst stand im Mittelpunkt des Geschehens, in das sich die
Tanzrhythmen von Walzer, Polka und Csardas nicht zum unlogischen Selbstzweck, sondern als dramatische, die Handlung bewegende und vorwärtstreibende Elemente einbauen ließen, was wiederum so meisterhaft gelungen ist, dass es hier nicht diesen oder jenen Höhepunkt gibt, sondern dass das ganze Werk einen einzigen Höhepunkt darstellt. Dabei liegt Leichtigkeit über allem, prägt Leichtlebigkeit die Charaktere; ja selbst der graue Schauplatz des 3. Aktes scheint als „fideles Gefängnis“ den Gesetzen einer solchen Schwerelosigkeit angepasst. Ein beglückender Zustand von alltagsentrückender Champagnerseligkeit setzt bereits mit dem Ouvertüren-E-EIS-FIS-Auftakt moussierend ein und endet nach einem dreistündigen amüsanten Durchmessen menschlicher Höhen und Tiefen in der versöhnlichen Erkenntnis, nicht der Mensch, sondern der kleine Teufel Champagner habe alles verschuldet. Heute wie am ersten Tag: ein Meisterwerk!
Johann Strauss
- 1825 25. Oktober: Geburt in Wien. Johann Strauß-Vater gründet einen eigene Kapelle.
- 1844 15. Oktober: Debut von Johann Strauß-Sohn mit eigenem Orchester.
- 1845 Johann Strauß-Sohn wird Kapellmeister des 2. Bürgerregiments.
- 1846/47 Konzertreisen nach Graz, Budapest und Bukarest.
- 1848 Johann Strauß-Sohn wird Kapellmeister der Nationalgarde. Revolution.
- 1849 Tod von Johann Strauß-Vater. Die vereinigten Kapellen von Vater und Sohn geben unter Leitung von Johann Strauß ein erstes Konzert im Volksgarten.
- 1850/51 Konzertreisen nach Warschau und nach Deutschland.
- 1852 Dirigent bei den Hofbällen des Kaisers. Konzertreisen nach Prag, Leipzig, Berlin, Hamburg und Dresden. Erkrankung.
- 1853 Bruder Joseph leitet wegen des Kuraufenthaltes Johanns die StraußKapelle.
- 1858 Beziehung mit Olga Smirnitzky in Pawlowsk, die bis 1860 dauert.
- 1861 Erstes gemeinsames Auftreten der Strauß-Brüder Johann, Joseph und Eduard.
- 1862 Johann Strauß heiratet die Sängerin Henriette Chalupetzky (Jetty Treffz).
- 1863 Verleihung des Titels „k.u.k. Hofballmusik-Direktor".
- 1867 Uraufführung des Walzers „An der schönen blauen Donau". Konzertreisen nach Paris und London.
- 1868 Walzer „G'schichten aus dem Wienerwald".
- 1872 Reise nach Amerika. Monsterkonzert in Boston (10000-Mann-Orchester) - 50000 Zuhörer. Konzerte in New York.
- 1873, 9. Mai, Börsenkrach (,,Schwarzer Freitag"). Walzer „Wiener Blut".
- 1874, 5. April, Uraufführung der „Fledermaus" am Theater an der Wien.
- 1875/76 Konzertreisen nach Paris, Berlin, Hamburg und Baden-Baden.
- 1877 Strauß dirigiert Bälle in der Pariser Oper. Ernennung zum .. Ritter des französischen Ordens der Ehrenlegion".
- 1878 Tod von Jetty.
- 1878, 28. Mai, Heirat mit Angelika (,,Lili") Dittrich.
- 1879 Strauß dirigiert Pariser Opernbälle.
- 1882 Trennung von Angelika ( .. Lili"). Bekanntschaft mit Adele Deutsch.
- 1883 Walzer „Frühlingsstimmen··.
- 1883, 3. Oktober, Theaterskandal bei der Uraufführung von "Eine Nacht in Venedig„ in Berlin.
- 1883, 9. Oktober, Erfolgreiche Erstaufführung in Wien.
- 1884 Feiern zum vierzigjährigen Künstlerjubiläum. Verleihung des taxfreien Bürgerrechts der Stadt Wien.
- 1885, 24. Oktober: Uraufführung „Der Zigeunerbaron" am Theater an der Wien. Antrag auf Entlassung aμs der österreichischen Staatsbürgerschaft.
- 1886 Strauß wird Bürger des Herzogtums Sachsen-Coburg-Gotha. Übertritt zum evangelischen Glauben.
- 1887 Scheidung von „Lili" in Coburg. Heirat mit Adele Strauß. geb. Deutsch.
- 1888 Mit Adele Besuch der Bayreuther Festspiele ( .. Parsifal'·).
- 1889 Uraufführung „Kaiserwalzer" in Berlin.
- 1892 Uraufführung der Oper „Ritter Pasman" an der Hofoper mit nur geringem Erfolg.
- 1894 Feiern zum fünfzigjährigen Künstlerjubiläum. Erstaufführung der „Fledermaus" an der Hofoper.
- 1898 Strauß beginnt mit der Komposition des Balletts „Aschenbrödel".
- 1899, 22. Mai, Strauß dirigiert die Ouvertüre zur „Fledermaus" in der Hofoper: letztes Dirigat.
- 1899, 3. Juni, Tod des Komponisten in Wien.
- 1899, 6. Juni, Begräbnis auf dem Zentralfriedhof unter großer Anteilnahme der Bevölkerung.
Informationen
Operette in drei Akten
Komponist: Johann Strauss
Librettist: Karl Haffner, Richard Genée
Uraufführung: 5. April 1874
Ort: Wien
Spielstätte: Theater an der Wien
Hinweis: Die historischen Texte und Abbildungen dieser Rückschau (bis in die 1950er Jahre) stammen aus den jeweiligen Programmheften und Fotosammlungen und spiegeln ihre Zeit. Sie könnten Begriffe und Darstellungen enthalten, die heute als diskriminierend oder unangemessen gelten. Die Eutiner Festspiele distanzieren sich daher ausdrücklich von solchen Inhalten. Auch die Erwähnung teils umstrittener Persönlichkeiten erfolgt ausschließlich im historischen Zusammenhang. Der digitale Rückblick soll Geschichte transparent machen und zur kritischen Auseinandersetzung mit Sprache, Haltung und Zeitgeschehen anregen. Wo erforderlich, ergänzen wir erläuternde Hinweise. Hinweise auf sachliche Fehler oder notwendige Kontexte nehmen wir gerne unter info@eutiner-festspiele.de entgegen.