
Rassismus und Romantik: Eutiner Festspiele mit "West Side Story" gestartet
Es ist eine große Liebesgeschichte, die die diesjährigen Festspiele eröffnete: Leonard Bernsteins Musical "West Side Story - ein Klassiker aus den 1950er-Jahren, angelehnt an Shakespeares "Romeo und Julia". Die Rolle der verfeindeten Familien übernehmen hier zwei rivalisierenden Straßengangs.
"Ein Stück, wie es aktueller nicht sein kann", sagt Regisseur Till Kleine-Möller, der das Musical auf die Eutiner Seebühne bringt. "Wir haben den Rassismus - damals gegen die Puerto-Ricaner - noch ein bisschen weiter aufgegriffen mit dem Thema 'Black Lives Matter'. Dazu haben wir auch POC-Menschen (People of Color, Anm. der Red.) extra in die Besetzung integriert."
Internationales Team, gesungen wird auf Deutsch
Gesprochen und gesungen wird in der Aufführung auf Deutsch. Eine Herausforderung für das internationale Team, in dem deutsch, italienisch und englisch gesprochen wird. Dennoch sei man in vier Wochen richtig zusammengewachsen, erzählt die kanadische Hauptdarstellerin Meera Varghese, die Maria spielt: "Wir sind alle hier eingereist und je mehr wir die Möglichkeit haben, mit anderen Menschen zusammen zu sein und uns zu unterhalten - umso besser. Es ist wirklich schön, mit dieser Gruppe zu arbeiten."
Während die Maskenbildnerin ihr vorsichtig die Perücke aufsetzt, wird ihrem Bühnenpartner noch schnell eine Narbe auf die linke Wange geschminkt. Florian Minnerop spielt und singt Tony - die große Liebe von Maria: "Tony und Maria wollen ja, weil sie sich lieben, aus dem Konflikt herauskommen. Und dann versuchen sie, das den anderen beizubringen."
Kostüme, Musik und Bühnenbild mit klarer Botschaft
Dieser Konflikt zwischen den beiden Gangs - die Jets sind weiß und amerikanischer Herkunft, die Sharks erst kürzlich aus Puerto Rico eingewandert - zieht sich in dieser Inszenierung durch, vom Bühnenbild über die Musik bis hin zu den Kostümen. Dynamischer Jazz umspielt die Jets; die Sharks werden getrieben von lateinamerikanischen Rhythmen.
Für Choreograf Timo Radünz war es wichtig, dass die Zuschauer sofort erkennen, wer hier zu wem gehört. "Die Jets haben die 'langweiligeren' Kostüme, eher Baumwolle, eher Materialien, die sehr natürlich wirken und sie in eine geradlinige, fast ein bisschen dröge Richtung drücken. Dagegen tragen die Sharks ganz viel glänzende Stoffe mit schrillen Farben. Sie sollen sozusagen mit lauten Stoffen visuell hantieren."
Zeitloses Thema, aktueller denn je
Identität und Zugehörigkeit sind wichtig. Die "West Side Story" fragt, warum daraus Hass werden muss. Ein zeitloses Thema: Wir kann in einer Welt voller Vorurteile und Gewalt die Liebe überleben? So erlebt der Zuschauer auf der Freilichtbühne direkt am Eutiner See nicht nur leidenschaftliche Musik und anspruchsvolle Tanzszenen, sondern auch eine Story, die aktueller nicht sein könnte.