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Der Freischütz

Der Jägerbursche Max liebt Agathe, die Tochter des Erbförsters Kuno. Doch kann er die Hand des Mädchens und damit auch das Anrecht auf die Erbförsterei nur erhalten, wenn ihm vor dem Landesfürsten ein guter Probeschuss gelingt. Seit langem jedoch ist Max vom Waidmannspech verfolgt...

Der Freischütz

Die Handlung

Der Jägerbursche Max liebt Agathe, die Tochter des Erbförsters Kuno. Doch kann er die Hand des Mädchens und damit auch das Anrecht auf die Erbförsterei nur erhalten, wenn ihm vor dem Landesfürsten ein guter Probeschuss gelingt. Seit langem jedoch ist Max vom Waidmannspech verfolgt. Auch beim Preisschießen der Dorfleute bleibt er erfolglos und muss sich dafür von dem neuen Schützenkönig, dem Bauern Kilian, und der ganzen Runde hänseln lassen. In seiner Niedergeschlagenheit verbündet er sich mit dem finsteren Kaspar, der sich durch einen Pakt dem schwarzen Jäger Samiel verschrieben hat. Kaspar überzeugt Max durch den Schuss auf einen hochfliegenden Raubvogel von der Unfehlbarkeit der Freikugeln“, die zu nächtlicher Stunde in der Wolfsschlucht unter heidnischen Beschwörungen gegossen werden müssen, und Max, eiern alles am Gelingen des morgigen Probeschusses liegt. verabredet mit dem unheimlichen Gesellen ein Treffen um Mitternacht. Daheim im Försterhaus wird Agathe von düsteren Vorahnungen bedrängt. und auch ih– Um Mitternacht verspricht Kaspar dem schwarzen Jäger die Seele seines Jagdgenossen. wie auch die Kunos und Agathes. wenn er ihm die ablaufende Lebensfrist um weitere drei Jahre verlängere. Max steigt in die Schlucht hinab. und auch die geisterhaften warnenden Erscheinungen seiner Mutter und Agathes können ihn nicht abhalten. mit Kaspar den Guss der Freikugeln zu beginnen. Sechs dieser Kugeln treffen unfehlbar. die siebte wird von Samiel allein gelenkt. Unter höllischem Spuk geht der Guss vonstatten. der wilde Jäger erscheint noch einmal – da schlägt die Glocke eins. und der Spuk ist vorüber.

Auch in ihrem bräutlichen Schmuck kann Agathe von ihren bösen Ahnungen nicht frei werden. Zudem findet sie in der Schachtel, die den Brautkranz enthalten soll, einen Totenkranz. Schnell flicht Ännchen einen neuen Kranz aus weißen Rosen, die Agathe von einem Eremiten erhielt. – Vor dem Fürsten Ottokar und seinem Gefolge hat Max mit den Freikugeln bereits dreimal erstaunliche Treffer erzielt. Kaspar hat die drei Kugeln, die er erhalten hatte. selbst schnell verschossen. damit nur die siebte. von Samiel gelenkte, übrigbleibe. Nun wird Max vom Fürsten zum entscheidenden Schuss aufgefordert. Als Ziel bezeichnet der Fürst ihm eine Taube. Im Augenblick des Schusses tritt Agathe zwischen den Bäumen hervor und stürzt wie leblos zu Boden. Doch die geweihten Rosen des Eremiten beschützten das Mädchen: der tödliche Schuss hat Kaspar getroffen. Seinen Leichnam befiehlt Ottokar in die Wolfsschlucht zu werfen. Max soll, nachdem er berichtet und seine Schuld bekannt hat. des Landes verwiesen werden. Da erscheint der Eremit, und seinem Rat beugt sich auch der Fürst:

Max wird ein Probejahr zugestanden. Besteht er die Bewährung, soll er in Gnaden wieder aufgenommen werden und Agathes Hand erhalten.

 

Die Rosen des Eremiten

Anfangsszene des „Freischütz“-Librettos von Friedrich Kind, die von Carl Maria von Weber nicht komponiert wurde. Waldgegend mit einer Eremiten-Wohnung. Neben dieser ein Altar von Rasen. Hinter ihm ein Kreuz oder Heiligenbild, ganz von weißen Rosen umblüht.

 

EREMIT, vor dem Altar knieend:
Allerbarmer! Herr dort oben!
Dir, den Sonn‘ und Sterne loben.
Sey auch in der Einsamkeit
Deines Knechtes Herz geweiht!

Er faltet die Hände und stützt betend sein Gesicht auf den Altar. Pause, von Musik ausgefüllt. Dann richtet er sich, wie aus einer Entzückung, erschrocken in die Höhe.

Welch ein Gesicht! –
0 Herr der Welt, gestatt‘ es nicht!
Ich sah – noch jetzt ergreift mich
Schauern –
Ich sah den Feind im Dunkeln lauern.
Mit tückisch-freud'gem Angesicht.
Er streckte – ha! wie mir das Herz noch
graust! –
Er streckte seine Riesenfaust
Nach einem unbefleckten Lamm.
Agathe war‘s – Nach ihrem Bräutigam
Lauscht‘ er mit gier‘gen, wilden Blicken,

Als woll‘ er seinen Fuß umstricken ––
Herr! vernimm des Greises Flehen!
Lass den Frevel nicht geschehen!
Schirm‘, o Herr, der ewig wacht,
Vor des Bösen Trug und Macht!
Er steht auf und geht einige Schritte vorwärts.
All' ihr Heiligen! seit drei Tagen sah ich
Agathen nicht. – Dort – täuschen mich nicht
die Augen – ja, sie ists! Sey mir gesegnet,
meine Tochter! Du bleibst lange aus –

AGATHE: Ihr seyd doch wohl, ehrwürdiger
Vater? Ich wär schon gestern oder vorgestern
gekommen: aber dieses Obst, das
ich für Euch aufbewahrt hatte, wollte nicht
früher reifen.

EREMIT: Die Früchte sind auserlesen. Du
sorgst für mich, wie eine Tochter.

AGATHE: Ich liebe Euch auch nach meinem
Vater am meisten.

EREMIT: Wär' das wahr, was würde Max
dazu sagen?

AGATHE: Ei – das ist etwas Andres – ich

sprach von kindlicher Liebe. Ihr scherzt mit
mir; Ihr seid ungewöhnlich heiter.

EREMIT: Wie sehr irrt sie! – Dein Max ist
doch wohl?

AGATHE: Vollkommen – nur dass ihm vor
dem Probeschusse bange ist. den er morgen
ablegen soll.

EREMIT: Ich habe davon gehört. Hast du
keine trübe Ahnung?

AGATHE: Zu Zeiten wohl – wenn mich
Max so schwermütig ansieht!

EREMIT: Ich kenne die eigentliche Gefahr
nicht. die dir und deinem Verlobten droht;
doch hat mich ein Gesicht besorgt gemacht.

AGATHE, ängstlich: Was erschien Euch?

EREMIT: Eine innre Stimme ruft mir zu,
dich heute nicht ohne Gegengabe zu entlassen.
Dieser Rosenstock, dessen erstes Reißlein
ein Pilger aus Palästina mitbrachte, ist
wunderlieblich empor gewachsen. Die
Landleute schreiben dem Rosenwasser
wunderbare Schutz- und Heilkräfte zu. Nimm
denn einige dieser Rosen als Brautgeschenk
meiner väterlichen Liebe!

Er bricht Rosen ab, fügt sie in einen Strauß
zusammen, und übergibt sie ihr.

Nimm hin, des Freundes Gabe,
Geweihet keusch und rein!

AGATHE: Vor aller meiner Habe soll sie
mir teuer sein!


Der Eremit in die Einsiedlerwohnung.
Agathe durchs Gebüsch ab.

 

Der Freischütz oder die gezähmte Innerlichkeit

von Horst Brodegg

„So wie der deutschen innigen Phantasie ein einzeln gegebener Gedanke genügt, sie aufzuregen, um in herrlichen Maßen ein Tongemälde auszuführen, der glühenden italienischen oft das einzelne Wort: Liebe, Hoffnung usw. dasselbe erzeugt (was dann auch allenfalls wieder, dieser Worte entkleidet, doch noch als sprechendes Seelenbild allein durch sich bestehen würde, wie die höhere Instrumentalmusik z.B.) – so ist es der französischen Musik eigen, nur meist durch das Wort allein Wert zu haben, da sie, ihrer Natur und Nationalität nach witzig ist. Den ausgezeichneten Meistern der Kunst bleibt es vorbehalten, diese Gattungen. von einzelnen Nationalcharakteren erschaffen, einander zu nähern, zu verschmelzen und so der Welt angehörig zu machen.“
(C. M. v. Weber)

Im Freischütz hält sich ein verstecktes Stück Kindheit auf. In Tagträumen kommen wir ihm auf halbem Weg entgegen. Denn der archaische Teil von uns birgt das mehr oder minder verdrängte und bearbeitete Wunschdenken, sorglos Ziele zu erreichen. ohne den Jammer der Realitätsprüfung und die Koordination von Mitteln auf uns zu nehmen. Einmal haben wir nämlich die Allmacht der Gedanken – eine glückliche Wortschöpfung eines Patienten Sigmund Freuds übrigens – für Wirklichkeit genommen. Dafür steht wohl der symbolische Sinn der Freikugel, der durch Konfrontation mit uneingestandenen, halblauten Tagesphantasien sicherlich auch typisch ist für eine be-stimmte Gestalt der romantischen Innerlichkeit. Meines Erachtens hat dies mehr zum Erfolg des Freischütz beigetragen – wenn man schon außermusikalische Faktoren gelten lassen möchte – als das Entzücken übers Waldrauschen des bewegten deutschen Wanderers im Vormärz wie Theodor Adorno im Anschluss an Elias Canetti meinte.

In den Wald als merkwürdig-(ausschließlich?) deutsch innerliches Stück der Welt wie in die grüne Weide der Natur überhaupt flohen seinerzeit Romantiker und Pseudoromantiker. um sich für die eigene Ohnmacht vor den Mächten des gesellschaftlichen Lebens zu entschädigen.

Es ist hier nun nicht an das einseitige Bild des Komponisten des Freischütz zu erinnern, der zu Klein-Hosterwitz unter den Spalieren des Winzerhäuschens sich idyllisch in Behaglichkeit einzäunt, umgeben von Zyperkatze. Kapuzineräffchen und Jagdhund. Es ist die andere Seite des fragilen Herrn von Weber zu beachten, der die Tiefe der Innerlichkeit umkippen sieht ins Gefühl der Leere und des Mangels, „ja der Langeweile, der die Gespenstergeschichte der literarischen Vorlage des Librettos zwar schätzt, vor dem Ende aber mit dem Tod der Braut und dem Wahnsinn des Jägerburschen zurückschreckt. Ihm genügt, dass sich an den zwei Figuren Max und Caspar das Unheimliche des Spiels mit der Allmacht der Gedanken darstellt. Der versöhnliche Ausgang für die Erfolgreichen, die Guten, in ihren altfränkischen Zusammenhängen beruhigt dann die Ausbruchssehnsüchte einer bereits domestizierten Innerlichkeit. Das Grauen der Gespenstergeschichte vom Freischütz kehrt abgeschwächt wieder im Unheimlichen. Alles. was uns heute Unheimlich erscheint, erfüllt die Bedingungen, dass es an Reste animistischer Seelentätigkeit rührt und sie zur Äußerung

Die beiden Jägerburschen, Max und Caspar wollen dasselbe und darin sind sie Konkurrenten. Der eine will erzwingen. was nicht auf dem Boden der Gewalt zu erreichen ist: Zuneigung und Sympathie Agathes, natürlich auch die ökonomische Sicherheit der Erbförsterei. die ebenso Max möchte. Doch der jüngere von beiden, sich männlich sicher fühlend in der zärtlichen Anhänglichkeit Agathes hat nur den falschen Weg eingeschlagen, um seinem Glück nachzuhelfen. Zuletzt darf er singen:

Abb.

Caspar dagegen verweist auf eine tiefer sitzende Bildung der kindlichen Allmachtsvorstellungen. Wenn es schon einmal darum geht, Wünsche als Realität über einen Lauf anzuvisieren, aus dem die Freikugel kommt, dann eben rücksichtslos. ehrlich-verstrickt und ohne Scheu vor Tabus. Selbst Beethoven meinte: Der Caspar, das Untier, steht da wie ein Haus. Überall, wo der Teufel die Tatzen reinsteckt, da fühlt man sie auch.“ Ironisch könnte man behaupten, dass über Caspars Verhängnis Max deutlicher in den Verdacht der Heuchelei gerät, auch wenn er Kants Grundüberzeugungen musikalisch verfeinert vorzutragen hat:

Das hingeworfene Libretto zum Freischütz von Friedrich Kind, dem Modeschriftsteller ohne literarisches Maß, bietet eine günstige Gelegenheit in ästhetisch-rückwärtsgewandten Pilgerzügen Wünsche hervorzulocken oder zuzulassen, um sie dann noch rechtzeitig in die flaue Moral der Pseudoromantik als Teil des Misstrauens dem ungebändigten Innern gegenüber zu ersticken. Die spießbürgerliche Heuchelei der zärtlichen Anhänglichkeit an die bestens eingerichtete Welt bedarf noch eines Deus ex machina in der Gestalt des Einsiedlers, der außerdem rationale Leistungskontrolle, dass heißt hier das Bewährungsjahr anstelle von punktueller Überprüfung von Tauglichkeit, in den feudalen Wildwuchs hineinzubringen hat. Die Trivialität der gesellschaftlichen Rituale um Schutz, Unschuld und sogar Verstand kommt vermittelt übers Heilige daher. Sie ist für dieses Genre nur der Index für die Verkehrung des Banalen ins Wunder und insofern echte Ware der Romantik. Vielleicht gehört der Umstand zum deutsch geläuterten Singspiel, dass es nur deshalb passenden Ausdruck finden konnte, weil es sich des unzulänglichen, absonderlichen Librettos bedient hat. Das wahrhaft Innerliche ist nicht Besitz einer Nation. Was wäre Maria ohne Kind. spottete anspielungsreich die italienische Clique eifersüchtig über den Ruhm des Komponisten. Ein Paradox sicherlich. das man nicht so auslegen muss, wie es der dünkelhaft gekränkte Friedrich Kind getan hat als er im Erfolgsschatten

Webers meinte, die Musik sei nur die notwendige Konsequenz seiner Verse. In solcher Deutung leidet wahrscheinlich der Eindruck der Oper kaum, wohl aber ihr Verständnis.

Aber seien wir keine Spielverderber, glauben wir fest an den unableitbaren Eigenwert der Musik, vor allem auch daran, dass in der Musik der Romantik das Gefühl sich ganz fühlen gelernt hat, auch wenn die geistigen Anlässe dürftig waren. Lassen wir die Chöre weiter grünen, bedauern und bewundern wir Agathes „Welch-schöne-Nacht“-Existenz und ziehen wir in die Nähe Ärmchens. an deren Resolut-Sein man gesund werden könnte.

Und wenn wir uns beim gedrängten Motiv des hohen Fagotts fragen wie der Opernliebhaber kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges: Lebt die deutsche Seele? Sollten wir uns da nicht an den Satz aus „Einern bürgerlichen Familienmärchen“ erinnern: „Opern machen ist keine Kunst, aber antworten, antworten!“ (C.M.v. Weber).

 

Carl Maria von Weber

getauft am 20. November 1786 in Eutin
gestorben am 5. Juni 1826 in London
wirkte in Breslau, Prag, Dresden, London und schuf neben Opern (u.a. „Abu Hassan“, „Der Freischütz“, „Euryanthe“, „Oberon“) Klavierwerke. Lieder und Konzerte für Soloinstrumente mit Orchester.

 

Informationen

Romantische Oper in 3 Akten
Komponist: Carl Maria von Weber
Libretto: Friedrich Joachim Kind
Uraufführung: 1821
Ort: Berlin
Spielstätte: Konzerthaus

Hinweis: Die historischen Texte und Abbildungen dieser Rückschau (bis in die 1950er Jahre) stammen aus den jeweiligen Programmheften und Fotosammlungen und spiegeln ihre Zeit. Sie könnten Begriffe und Darstellungen enthalten, die heute als diskriminierend oder unangemessen gelten. Die Eutiner Festspiele distanzieren sich daher ausdrücklich von solchen Inhalten. Auch die Erwähnung teils umstrittener Persönlichkeiten erfolgt ausschließlich im historischen Zusammenhang. Der digitale Rückblick soll Geschichte transparent machen und zur kritischen Auseinandersetzung mit Sprache, Haltung und Zeitgeschehen anregen. Wo erforderlich, ergänzen wir erläuternde Hinweise. Hinweise auf sachliche Fehler oder notwendige Kontexte nehmen wir gerne unter entgegen.