Warum Opernsängerin Susanne Niebling heute lieber hinter der Bühne was zu sagen hat
Warum Opernsängerin Susanne Niebling heute lieber hinter der Bühne was zu sagen hat
Der dicke Klavierauszug der „Madama Butterfly“ begleitet Susanne Niebling überall hin. Unterm Arm, in der Tasche, bei den Proben, in der Freizeit - er ist dabei, er ist ihr Backup, ihre Gedankenstütze. Denn im Laufe der Probenzeit entstehen auf den weißen Seiten zwischen den Noten Notizen und Skizzen, die ihr mit einem Blick verraten, welche Requisite wer in welchem Bild dabei hat oder von wo nach wo sich die Solisten auf der Bühne bewegen müssen, damit alles am Ende auch mit der Beleuchtung und Szenerie stimmt. Regisseur Igor Folwill verlässt sich auf Niebling, und das kann er auch, schließlich hat sie von ihm gelernt. „Uns verbindet etwas Besonderes und mit ihm zusammen zu arbeiten, macht wirklich Spaß“, sagt sie.
Von der Opernsängerin zur Inspizientin und Regie-Assistentin
Dass sie selbst Gesang studierte und ihre Traumrollen, wie sie sagt, schon auf der Bühne habe singen dürfen, wissen die wenigsten. Neben Anne Trulove in Strawinskys „The Rake’s Progress“ die Partien der Tatjana in „Eugen Onegin“ und Baronin Freimann in Lortzings „Der Wildschütz“. 2018 aber sprach Professor Igor Folwill die Opernsängerin an, ob sie nicht Lust und Zeit habe, sie bei seinem Projekt zu unterstützen. Er suchte eine Assistentin und sie war ein Organisationstalent, das wusste, wie so ein Theaterbetrieb tickt. Würzburg ist ein Mehrspartenhaus, sie habe in allen Bereichen von der Pike auf lernen können.
Schließlich hat Susanne Niebling so viel Gefallen daran gefunden, dass Inspizienz seitdem „ihr Ding“ ist und sie in der Zusammenarbeit mit Igor Folwill auch noch die Co-Regie übernimmt. Die Verantwortung dafür wiegt schwer, denn wenn nach der Premiere der Regisseur unter Applaus abreist, ist es Aufgabe der Co-Regie dafür zu sorgen, dass alles so bleibt, wie es einst geprobt war, sich sprichwörtlich „nichts einschleicht“.
Als Inspizientin ist sie diejenige, die seit Beginn der Proben die Fäden zwischen allen Beteiligten und Gewerken zusammenhält und Ansprechpartnerin ist für alle. Eine Inspizientin habe eigentlich keinen Einfluss auf die Gestaltung des Stückes, als Regie-Assistentin hänge es davon ab, wie gut man mit dem Regisseur harmoniert, nicht jeder möge Input von außen zu seinem Konzept, so Niebling. Wird ein Ensemblemitglied kurzfristig krank, helfen ihr die Skizzen und Notizen, um Ersatzsolisten einzuweisen. „Schlimmstenfalls müssen Inspizienten verkleidet auf die Bühne und von der Seite singt jemand, weil die Zeit nicht gereicht hat für Proben. Aber das habe ich glücklicherweise noch nicht selbst erlebt“, sagt Niebling.
Das Besondere bei den Eutiner Festspielen sei die Seebühne. „Es gibt keinen Vorhang oder Schleier, alles, was während eines Aktes verändert werden soll, wird vom Publikum gesehen“, gibt sie zu Bedenken und wer im Sommer 20 Uhr mit einer Oper beginnt, müsse alles so inszenieren, dass der Fokus klar ist, da sei mit Licht nicht viel zu machen. Das sei besonders herausfordernd, wenn Tageszeitenwechsel gespielt werden sollen.
„Ich habe schon genug Applaus im Leben bekommen.“
Vermisst sie das Singen und auf der Bühne Stehen gar nicht? „Nein, ich habe schon genug Applaus bekommen in meinem Leben, das brauche ich nicht. Und ich hatte glücklicherweise auch noch nie das Gefühl, ich würde eine Rolle besser singen, als die Besetzung“, sagt Susanne Niebling. Wenn das Publikum zum letzten Mal für die „Madama Butterfly“ applaudiert, packt die gebürtige Bayerin ihre Koffer und kurze Zeit später ihre Kartons, denn dann geht es für sie von Würzburg wieder nach Köln.