Probenstart für „Ein Käfig voller Narren“ mit Musical-Star Uwe Kröger und einer Botschaft
EUTIN | Wer ist eigentlich seltsam: Derjenige, der schwul ist oder der, der damit ein Problem hat? Mit „La cage aux folles“ oder „Ein Käfig voller Narren“, wie der deutsche Titel lautet, bringen die Eutiner Festspiele einen Musical-Klassiker auf die Bühne, der das Publikum schrill, bunt und mit feinem Humor auf die Mindestvoraussetzungen gesellschaftlichen Lebens hinweist: Toleranz und Menschlichkeit.
Weil Narren grundsätzlich – und im Theater erst recht – die Freiheit haben, mit feinsinnigem Humor das Publikum zu unterhalten und es eintauchen zu lassen in eine für viele vermutlich fremde Lebenswelt der Travestie und Homosexuellen, sei oberstes Ziel zu zeigen, wie bereichernd Anderssein sein kann. Der Mensch ist ein Voyeur, als Publikum erst recht. „Wir haben keinen Bildungsauftrag, aber wir können mit unserer Art, das Musical auf die Bühne zu bringen, Eutin ein Stück bunter, vielfältiger und offener machen“, sagen Regisseur Tobias Materna und Festspiel-Referent Matthias Gerschwitz fast unisono, als es darum geht, die jungen Sänger und Sängerinnen einzustimmen auf das Ziel, was an Probenarbeit vor ihnen liegt.
„Spielt nicht den Schwulen, bedient keine Klischees, vergesst die Rolle, sondern spielt einfach den Menschen dahinter“, motiviert Regisseur Materna das Ensemble. Nur dann tauche das Publikum ein, fühle und erlebe mit. Homosexualität und Travestie böten nur den Rahmen für das Theaterstück, das eigentlich Liebe, Vertrauen, Menschlichkeit und Toleranz zum Thema hat. „Mir ist wichtig, dass wir das Leben zeigen und kein Schubladendenken oder Schwulen-Klischees bedienen. Wir müssen die Figuren und ihre Nöte ernst nehmen“, so Regisseur Materna. Jeder Zuschauer soll genug Interpretationsraum haben. „Wir machen keine Revue, wir zeigen Ausschnitte aus einem für manche vielleicht fremden Leben.“
Jörg Brombacher, Tobias Materna und Vanni Viscusi erklären heißen das Musical-Ensemble willkommen. Bühnenbauer Brombacher erklärt die Raffinessen der Eutiner Bretter, denn hier wird besonders dicht am Publikum gespielt. Constanze Emde Jörg Brombacher, Tobias Materna und Vanni Viscusi erklären heißen das Musical-Ensemble willkommen. Bühnenbauer Brombacher erklärt die Raffinessen der Eutiner Bretter, denn hier wird besonders dicht am Publikum gespielt.
Es ist das erste Zusammenkommen und Kennenlernen des 20-köpfigen Teams am Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie: Es könnte nicht treffender sein für ein Stück, das 1973 erstmals queere Themen überhaupt auf die Theaterbühne brachte. Bis heute gilt es als eines der erfolgreichsten Musicals zum Thema – mit der Musik und den Songtexten von Erfolgskomponist Jerry Herman, dem Schöpfer von „Hello Dolly!“. Das Stück gewann sechs Tony Awards und wurde allein am Broadway über 1700 Mal gespielt. Der weltweit prominenteste Coming-out-Song „I am what I am“ wurde zur Hymne der Szene.
Uwe Kröger spielt Zaza im Käfig voller Narren
Als Glücksfall wertet es Tobias Materna, dass mit Uwe Kröger ein ganz Großer dieses Bühnenfachs erstmals auf der Seebühne auftritt: „Besonders glücklich macht mich, dass es ein persönlicher Wunsch von Uwe Kröger war, die Rolle der Zaza in Eutin spielen zu wollen. Einen der Stars der deutschen Musical-Szene als Hauptdarsteller beziehungsweise in diesem Fall auch als Hauptdarstellerin zu haben, darf man durchaus als Geschenk für Eutin betrachten.“
Uwe Kröger, der in diesem Frühsommer auch noch in Füssen im Ralph-Siegel-Musical „Zeppelin“ führend mitwirkt, freut sich „wie ein Kind“ auf die Zusammenarbeit mit dem Regieteam Materna, Viscusi und Bönecker. Seinem Debüt bei den Eutiner Festspielen fiebert er förmlich entgegen: „Eutin, ich komme! Wie sehr habe ich Zaza/Albin vermisst. Ich bin überglücklich, ein zweites Mal in diese wundervolle Rolle schlüpfen zu dürfen.“
Denn kein anderes Stück breche derartig bewegend eine Lanze für Vielfalt, Akzeptanz und bedingungslose Liebe. Uwe Kröger: „Die Geschichte kann das Denken der Menschen verändern und Mut machen. Der zentrale Song ‚Ich bin was ich bin‘ ist ein Plädoyer für Selbstachtung, Freiheit und Gerechtigkeit.“
Gut die Hälfte der Akteure, die singend, tanzend und schauspielernd insgesamt 20 Rollen im „Käfig voller Narren“ verkörpern, war bereits in der vorigen Saison beim großen Erfolg von „Cabaret“ mit von der Partie. Dazu gehören auch Jasmin Eberl und Julian Culemann, die in den Hauptrollen als Liebespaar zu Publikumslieblingen wurden.
Erneut übernehmen Tobias Materna (Regie) zusammen mit Vanni Viscusi (Choreografie und Co-Regie) und Christoph Bönecker die Verantwortung für die Inszenierung.
„Dass es im Jahr 2022 noch ein Stück braucht, das von Menschlichkeit und Toleranz handelt, mag traurig sein, aber es ist auch eine Chance“, sagt Regisseur Tobias Materna. Unter dem Titel „Fremde Lebenswelten“ stehe dieses Jahr bei den Eutiner Festspielen. Das Publikum von „Ein Käfig voller Narren“ soll mitgenommen werden in das oberflächlich glitzernd, schrille Leben eines homosexuellen Paares und eintauchen können, in deren Erlebnis- und Gefühlswelt.
Die Darsteller des Musicals 'Ein Käfig voller Narren' sind begeistert von der Seebühne der Eutiner Festspiele. Eutiner Festspiele Die Darsteller des Musicals "Ein Käfig voller Narren" sind begeistert von der Seebühne der Eutiner Festspiele.
Und während es dabei mit feinsinnigem Humor unterhalten werde, könne es am Ende bestenfalls feststellen: Jeder Mensch, ganz gleich wen und wie er liebt, hat im Kern die gleichen Träume, Ängste, Sorgen und Bedürfnisse. Premiere feiert das Stück erstmals aufgeführt auf einer Seebühne am 1. Juli um 20 Uhr.