Im Interview: Michel Schroeder
Der vielfach preisgekrönte junge Jazzmusiker eröffnet mit seinem Quintett die Saison 2023 in der Opernscheune
Keine Oper, kein Musical. Aber 20 bunt gemischte kulturelle Angebote. So sieht die Spielzeit 2023 der Eutiner Festspiele aus. Weil die Seebühne wegen des Baus einer neuen Tribüne in diesem Sommer gesperrt ist, gibt es 20 Veranstaltungen auf der 200 Zuschauer fassenden Studiobühne in der Opernscheune.
Zum Auftakt am Samstag, 20. Mai, um 20 Uhr erklingt Jazz. Vielfältig wie das Angebot in der Opernscheune. Es spielt das Michel Schroeder Quintett aus Hamburg. Die fünf Musiker haben ihr brandneues Album „Shortcuts“ im Gepäck.
Michel Schroeder, Jahrgang 1995, in Lübeck aufgewachsen, hat das Bachelor-Studium Jazztrompete und das Masterstudium Jazzkomposition absolviert, ist mit zahlreichen Preisen bedacht, arbeitet mit mehreren eigenen Ensembles, leitet die Bigband der Hamburger Musik-Hochschule und sieht als seinen Vorteil, dass er sich nicht auf einen bestimmten Musikstil festlegen kann. Das und mehr erklärt er im Interview.
INTERVIEW
EFS: Sie haben im Alter von sieben Jahren begonnen, Trompete zu spielen. Wie kommt man so jung zu einem solchen Instrument?
Schroeder: Ich habe damit angefangen, weil mein Vater Trompete gespielt hat und auch Mitglied einer Amateur-Bigband war. Ich fand das sehr spannend, wenn ich mit der Familie Konzerte besucht habe, und den ersten Unterricht bekam ich auch von meinem Vater.
EFS: Wann ist in Ihnen die Überzeugung gereift, dass Jazz ihre musikalische Heimat werden soll?
Schroeder: Das kam einerseits auch durch meinen Vater, der immer jazzinteressiert war und mit mir öfter Konzerte besucht hat. Ich war zehn oder elf, als ich mit ihm auf der „Jazz Baltica“ war, damals noch in Salzau, und fand das total aufregend. Mein Interesse wurde auch durch meinen Freundeskreis befördert, ein sehr guter Schulfreund hat Saxophon gespielt und Jazz gemacht. Und außerdem gab es am Johanneum Lübeck, an dem ich Abitur gemacht habe, eine Bigband. Bei Auftritten hatte ich gesehen, wie viel Spaß die Musiker haben, und mit 13 Jahren bin ich da reingekommen. Ab dann war das nicht mehr wegzudenken aus meinem Leben.
EFS: Sie haben eine Reihe von Auszeichnungen und Preisen bekommen. Welcher Preis war ihnen am wichtigsten?
Schroeder: Der Lübecker Jazzpreis 2018. Das ist vermutlich keine Auszeichnung mit hoher internationaler Reputation, aber ich empfand es als besondere Ehre, dass man mir als Jazzmusiker, der in Hamburg geboren und in Lübeck aufgewachsen ist, diesen Preis verliehen hat.
EFS: Und welches Konzert empfanden Sie als ihren bisherigen musikalischen Höhepunkt?
Schroeder: Ich habe letztes Jahr mit meinem Large Ensemble beim Trave-Jazz-Festival in Lübeck gespielt. Es ist ein Cross-Over-Ensemble, bestehend aus Bläsern, Streichern, Harfe und Rhythmusgruppe und es ist mein Herzensprojekt, in das ich mit Abstand am meisten Arbeit stecke. Das Konzert war sehr gut besucht und es hat mir viel bedeutet, dass es zustande gekommen ist.
EFS: Wie viele Stunden üben Sie täglich Trompete?
Schroeder: Das hat sich gewandelt. Meine Tätigkeit als Komponist, Arrangeur und als freiberuflicher Musiker mit vielen eigenen Projekten, die viel Organisation verlangen, nimmt mittlerweile so viel Raum ein, dass sich meine Zeit fürs Trompete spielen verringert hat. Im Studium habe ich zeitweise sechs Stunden pro Tag geprobt und gespielt, mittlerweile sind es zwischen einer und drei Stunden. Als Vater eines eineinhalbjährigen Kindes ist alles ein wenig enger getaktet.
EFS: Hat es seit ihrem 7. Lebensjahr schon mal einen Tag gegeben, an dem sie Ihre Trompete nicht in der Hand hatten?
Schroeder: Tatsächlich nehme ich die Trompete im Urlaub nicht mehr mit, was ich im Studium noch gemacht habe. Trompete spielen ist ein bisschen wie Sport, wenn man auf einem hohen Niveau ist und das eine Woche lang nicht trainiert, geht es sehr schnell, dass sich Muskeln zurückbilden und die Haut an den Lippen verändert. Man braucht danach wieder ein bis zwei Wochen, bis man auf den Stand kommt, auf dem man sein möchte. Diese Prozedur wollte ich früher immer vermeiden. Mittlerweile nehme ich sie für eine ruhige Zeit mit der Familie in Kauf.
EFS: Sie haben mal gesagt: „Ich habe Schwierigkeiten festzulegen, welche Musik ich eigentlich machen will“. Und das soll von Vorteil sein. Inwiefern?
Schroeder: Es ist von Vorteil, weil ich alles offenhalte und ich mir für nichts zu schade bin. Einerseits bin ich auch mit Free Jazz unterwegs, spiele in allen möglichen Avantgarde-Projekten mit und mach „abgefahrene“ Sachen. Andererseits habe ich auch keine Probleme damit, zum Beispiel den Song „Last Christmas“ zu arrangieren und mit der Schulbigband der Hamburger Hochschule für Musik und Theater, die ich leite, aufzuführen. Ich glaube, dass ich mir dafür nicht zu schade bin, macht es mir recht einfach, bei jedem Konzert großen Spaß zu haben.
EFS: Haben Sie musikalische Vorbilder?
Schroeder: Wenn ich das für die Trompete sagen sollte, wären es Freddie Hubbard und Kenny Wheeler, unglaubliche Trompeter und Musiker. Musikalisch ist mir Pat Metheny ein ganz großes Vorbild.
EFS: Mit wem würden sie gerne einmal die Bühne teilen?
Schroeder: Von den noch lebenden „Helden“ der Hochzeit des Jazz, mit denen ich gerne einmal zusammenspielen möchte, wäre es Herbie Hancock. Der hat alles erlebt, alles gesehen, mit allen zusammengespielt und bringt so wahnsinnig viel Erfahrung mit. Das würde ich gerne einmal erleben, mit einer solchen Persönlichkeit zusammen Musik zu machen.
EFS: An welchen Projekten arbeiten Sie zurzeit?
Schroeder: Aktuell bereite ich mich auf die Produktion eines Albums meines Crossover-Ensembles vor, die Anfang Juni stattfinden wird, dafür schreibe ich noch ein paar Kompositionen. Und ich bereite mich auf die Tour meines Quintetts mit der Vorstellung des neuen Albums vor.
EFS: Es geht um das neue Album „Shortcuts“, das Sie auch am 20. Mai 2023 in der Eutiner Opernscheune präsentieren. Was können die Zuhörer erwarten?
Schroeder: Die Zuhörer können erwarten: Die ganze stilistische Bandbreite des modernen Jazz, alles, was man sich darunter vorstellen kann, ist auf diesem Album vertreten. Außerdem fünf fantastische Musiker, die sehr gut eingespielt sind und seit Jahren die Bühne teilen und sich intuitiv und ohne viele Worte verstehen. Und Kompositionen aus meiner Feder, die anklingen lassen, dass ich mich stilistisch nicht festlegen möchte.
EFS: Waren Sie schon mal als Gast bei den Eutiner Festspielen?
Schroeder: Ja, meine Frau ist Harfenistin und hat letztes Jahr bei „Madama Butterfly“ mitgewirkt, da war ich einmal mit.
EFS: Wie hat es Ihnen gefallen?
Schroeder: Sehr gut. Sehr, sehr gut. Die Stimmung auf der Seebühne war wahnsinnig schön und wir hatten auch großes Glück mit dem Wetter. Kurzum: Total schön.
EFS: Vielen Dank. Wir freuen uns auf das Michel Schroeder Quintett mit dem neuen Album „Shortcuts“ am 20. Mai um 20 Uhr auf der Studiobühne der Opernscheune.