Leinen los, die Fahrt zu neuen Ufern beginnt
Nach einer Auftragsvergabe steht fest: Die Eutiner Festspiele können mit der Planung einer Spielzeit 2024 mit einer neuen Tribüne beginnen.
Was macht ein Theater, wenn es wegen Bauarbeiten seine Bühne nicht nutzen kann? Die Antwort der Eutiner Festspiele auf diese Frage: Statt der gewohnten Opern- und Musicalaufführungen auf der Seebühne im Schlossgarten gibt es eine Reihe von kleinen und feinen Veranstaltungen. Dafür wird der Konzertsaal in der Opernscheune, die sogenannte Studiobühne, genutzt.
Von Mai bis Oktober 2023 gibt es Klassik, Jazz, Folklore, Kabarett, Comedy, Lesungen, Theater, unterhaltsame Vorträge und nicht zuletzt ein Musikmärchen für die ganze Familie. Unter dem Motto „Auf zu neuen Ufern“ laden die Eutiner Festspiele ein zu einer Reise, bei der mehr als ein Dutzend kulturelle Erlebnisse die Stationen sind.
Ohne Seebühne keine Einnahmen
„Das Programm ist sicher nicht typisch für die Eutiner Festspiele, aber eine Reaktion auf außergewöhnliche und einmalige Umstände“, sagt Geschäftsführer Falk Christoph Herzog. Da der Bau einer neuen Tribüne im Schlossgarten keine Opern- und Musicalproduktionen ermögliche, fehlten den Festspielen auch Einnahmen: Aus dem Kartenverkauf der Produktionen deckten die Festspiele im Schnitt 85 Prozent ihrer Kosten, das sei bundesweit fast einzigartig.
Eine Überlegung, auf einer großen Freilichtbühne am Schloss eine Reihe von Konzerten mit bekannten Künstlern und eigenen Produktionen anzubieten, habe sich beim Blick auf die Kalkulation nicht umsetzen lassen: „Die festen Kosten für solche Konzerte, zu denen Bühnenbau, Ordnerdienst und nicht zuletzt die Gagen der Künstler zählen, hätten sich bei der Größe der vorhandenen Fläche nicht erwirtschaften lassen. Anders gesagt: Nicht einmal ausverkaufte Konzerte hätten sich gerechnet, alle wären mit mindestens fünfstelligen Minusbeträgen verbunden gewesen.“
Das finanzielle Risiko einer Reihe kleiner Veranstaltungen auf der eigenen, wetterunabhängigen Bühne in der Opernscheune sei dagegen kalkulierbar, sagte Herzog weiter. Es werde sicher nicht den Kassenstand der Festspiele aufbessern. Aber es sei das Ziel des Festspiele-Teams, den treuen Besucherinnen und Besuchern etwas zu bieten und vielleicht auch das Interesse neuer Gäste für die Festspiele zu wecken.
Terminplan ist noch nicht komplett
Es sei gelungen, in vergleichsweiser kurzer Zeit ein weit gefächertes Programm zusammen zu stellen, sagt die für das operative Geschäft zuständige Geschäftsführerin Anna-Luise Hoffmann. Mit dem Organisieren der Veranstaltungen habe das Team erst Mitte Januar 2023 beginnen können. Vorher sei nicht klar gewesen, ob wegen des Baus der Tribüne nur die Opernspielzeit 2023 ausfallen werde. „Der Terminplan ist auch noch nicht komplett, ein paar weitere Veranstaltungen wird es noch geben,“ kündigte Hoffmann weiter an.
Im Übrigen seien die Vorbereitungen für die Spielsaison 2024 mit Eröffnung der neuen Tribüne angelaufen. Auf dem Spielplan stehe die Oper „Der Freischütz“, mit der 1951 die Geschichte der Eutiner Festspiele begonnen hat. Außerdem werde es ein Musical geben, der Titel werde in Kürze veröffentlicht. „Wir sind sicher, dass es viele Musicalfreunde ansprechen wird.“
Zum Eröffnungsjahr der neuen Tribüne werde es darüber hinaus Konzerte mit eigenen Produktionen wie dem traditionellen Gala-Abend oder „Orchestra On The Rock“ geben sowie mit namhaften Künstlern.
Musikmärchen für die ganze Familie
Mit dem Veranstaltungsprogramm im Jahr 2023 sollen möglichst viele Personenkreise angesprochen werden. Als ein Beispiel nennt sie das Musikmärchen „Die kleine Meerjungfrau“, das ein Vergnügen für alle Menschen ab vier Jahren ist. Das Werk des Lübeckers Àkos Hoffmann ist die erfolgreichste Kinder-Orchesterkompositionen der letzten Jahre im deutschsprachigen Raum. Die Kammerphilharmonie Lübeck unter der Leitung von Emanuel Dantscher sowie Àkos und Melinda Hoffmann als Erzähler führen das Märchen zwei Mal in der Opernscheune auf.
Große Freude löst in der Opernscheune die Tatsache aus, dass der Ausnahme-Musiker Chris Jarrett wieder kommt. Er hat bei einem Konzert im Jahr 2022 in Eutin bewiesen, dass er seinem berühmten Bruder Keith mindestens ebenbürtig ist. Das Publikum war über die geniale Fusion von Jazz, Klassik und Weltmusik begeistert. Chris Jarrett kommt mit seinem neuen Programm „New Stories for Piano“.
Genuss für Klassik-Freunde verspricht das Hamburg Stage Ensemble mit den „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi und Astor Piazzolla, während das Duo Saitenweise mit Markus Menke (Violine) und Tobias Göbel (Klavier) eine virtuose Hörreise mit Johannes Brahms, Astor Piazzolla und Sergej Prokofiev bietet.
Jazz der jungen Generation
Eine musikalische Reise unternimmt auch das Trio Nidaš, die von Tango bis Klezmer reicht. Das Michel Schroeder Quintett aus Hamburg steht für Jazz in einer seiner ursprünglichsten Formen, aber mit einem ganz eigenen Ton einer Generation junger Jazzmusiker.
Im Rahmen der zweiten Eutiner Hitchcock-Days präsentieren die Festspiele einen Vortrag des bekannten Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke und eine szenische Lesung aus dem Roman „Die 39 Stufen“ mit Jens Wawrczeck und Livemusik.
„Eine Frau“, Roman der Nobelpreis-Trägerin Annie Ernaux, wird in einer Lesung von Franziska Mencz mit Musik von Michael Rettig (Klavier) und Clovis Michon (Cello) präsentiert. Multimedial stellt auch der Berliner Autor Matthias Gerschwitz zwei geniale Schauspieler und Kabarettisten und ihre Zeit, die 1920er Jahre, vor.
Barbara Vinken, Professorin für Literatur in München und erfolgreiche Schriftstellerin, stellt ihr neues Buch vor: „Diva. Eine etwas andere Opernverführerin“ schildert, wie raffiniert und originell die Oper jedes „Genderkorsett“ sprengt.
Theater und Kabarett
Sprechtheater gehört auch zum Programm: In Zusammenarbeit mit dem Kulturbund Eutin gibt es das von Kritikern überschwänglich gelobte Kammerspiel „Wölfinnen“, das die Bremer Schauspielerinnen Irene Kleinschmidt und Franziska Mencz auffführen. Mit ironisch-sarkastischen Texten und Liedern widmen sich Melanie Haupt und Judith Jakob dem deutschen Gesundheitssystem („La Pharmiglia – Organisiertes Gebrechen“), während Florian Hacke, preisgekrönter Poetry-Slamer und Comedian mit Tiefgang, einen „Atemkurs für Wutbürger*innen (sic!)“ anbietet.
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