Eine Inszenierung, viele Szenarien
EUTIN | Also werden verschiedene Szenarien für die große Opernproduktion "La Bohème" vorbereitet – notfalls eben mit nur 26 Orchestermusikern und ohne Pause. Geht alles, auch ohne schmerzhafte künstlerische Kompromisse, versicherten gestern der musikalische Leiter Hilary Griffiths, Regisseur Igor Folwill und Bühnenbildner Jörg Brombacher.
Geplant wird vorerst mit 600 Plätzen
Und man nimmt auch in Kauf, bei entsprechend strengen Abstandsregelungen die Tribüne womöglich mit nur 600 Besuchern (auf 1886 Sitzen) besetzen zu können. Mit weniger wird es finanziell eng, räumt Falk Herzog ein. Die Festspiel-Gesellschaft wird privatwirtschaftlich betrieben. Aber das gute Wetter sorgte gestern für ausgeprägten Open-Air-Optimismus – genauso wie der erklärte Wille, flexibel auf pandemiebedingte Umstände zu reagieren: „Wir stehen alle auf heißen Kohlen“ umschrieb es Hilary Griffiths.
"La Bohème" zuletzt 1971 in Eutin
Genau 50 Jahre nach der letzten Inszenierung auf Eutins grünem Hügel ist die Zeit reif für Puccinis "La Bohème" (1896) als „eines der größten Meisterwerke“ der Opernwelt, das Griffiths auch am Pult immer noch zu Tränen rühre. Und selbst wenn man bei den Kosten knapp kalkulieren musste, hat der Opernchef eine hochkarätige internationale Besetzung ausgeguckt. Regisseur Igor Folwill (Köln), der 2020 mit Puccinis "Madama Butterfly" nicht zum Zuge kommen konnte, will diesmal in zweiter Ebene einen Erzähler einsetzen, der Originalpassagen aus der Romanvorlage von Henri Murger zitiert. Dass sich in Puccinis Oper neben einer tragischen Liebe vieles um vier (Über-)Lebenskünstler dreht, schaffe pikante Aktualitätsbezüge, sagt Griffiths. Um so wichtiger sei es, dass im Sommer gespielt werde, um den Künstlern endlich wieder Auftrittsmöglichkeiten zu bieten.
Bühne rückt ein Stück über den Eutiner Orchestergraben
Das Bühnenbild muss die beiden Inszenierungen des Sommers, neben Puccinis Vierakter aus dem Jahr 1896 das ausschweifende Musical Cabaret (John Kander/Fred Ebb, 1966), in seinen Grundaufbauten vereinen. Für die überwiegend intimeren Kammerspiel-Szenen aus "La Bohème" rückt die Bühne erstmals ein Stück weit über den Orchestergraben näher ans Publikum und Jörg Brombacher versucht mit möglichst wenig Aufwand der kargen „Schwarz- Weiß-Welt“ der armen Studenten in Paris um 1830 die prallbunte Traum-Welt ausgelassener Feierlust gegenüber zu stellen. Auch hier schimmert die Corona-Problematik durch: Große Umbauten sollen vermieden werden, falls das 95-Minuten-Werk im Sommer ohne Pause durchgespielt werden muss.
Anna-Luise Hoffmann jetzt in der Geschäftsleitung
Es gibt viele Unbekannte in der 70. Saison, sagt Falk Herzog, der sich als Kaufmann mit der bisherigen Produktionsleiterin Anna-Luise Hoffmann nun eine versierte künstlerische Co-Geschäftsführerin zur Seite gestellt hat. Er muss weiter auf Richtlinien für Open-Air-Veranstaltungen im Sommer warten, das unberechenbare Infektionsgeschehen beobachten. Aber die Vorbereitungen laufen, geplant wird „mit Vorsicht und Augenmaß“. Und nach jetzigem Stand soll am 3. Mai der (Online-)Vorverkauf für die 25 „großen“ Termine vom 18. Juni bis 22. August sowie einige „innovative“ Zugaben auf der Bühne am See beginnen. Ab 10. Mai werde – mit engmaschigen Testungen – geprobt, sogar ein eigenes Gerät zur PCR-Diagnostik wurde angeschafft. Ob im Sommer dann die Zuschauer Schnelltests vorlegen müssen – man weiß es noch nicht. Hauptsache, es muss nicht wieder abgesagt werden.