Cabaret – Musical von John Kander, Fred Ebb, IOCO Kritik
Auch der Wettergott meinte es gut, bei blauem Himmel, Sonnenschein bis in die späten Abendstunden und lauen 25 Grad fand am 2. Juli 2021 auf der Seebühne im Eutiner Schloßpark die Eröffnungspremiere mit Cabaret statt. Eigentlich war die West Side Story vorgesehen, welche jedoch eine sehr große Besetzung erforderte, und so entschied man sich aufgrund der Pandemie-Auflagen für das weniger aufwendig zu besetzende Musical Cabaret, komponiert von John Kander, die Liedtexte schrieb Fred Ebb nach dem Buch von Joe Masterhoff, welcher hierfür ein Schauspiel von John van Druten mit Romanvorlagen von Christopher Isherwood zugrunde legte.
Die von Jörg Brombacher konzipierte Bühne – es gilt hier, einerseits den glamourösen Kit.Kat-Club, andererseits eine schlichte, etwas spießige Pension darzustellen, was auf solch einer Freilichtbühne gar nicht so einfach, aber wie man hier sieht, durchaus möglich ist – besteht aus goldgelben Treppenstufen und silbergrauen Versatzstücken, der imposante Bühnenhintergrund besteht aus drei kreisförmigen Bauten, links und rechts mit silbernen Vorhängen verkleidet, aus denen die Solisten die Bühne betreten, im mittleren großen Kreis ist ein kleines, von Christoph Bönecker kompetent geleitetes Orchester platziert, Mitglieder der Kammerphilharmonie Lübeck, die hier eine wahrlich mitreißende Mischung aus Swing, Charleston, Jazz und Ragtime boten und die Solisten gefühlvoll bis kraftvoll in ihren Songs und Ensembles brilliant begleiteten. Das gesamte Ensemble ist in diesem Rahmen als erstklassig zu bezeichnen.
An allererster Stelle muß Jasmin Eberl als lebenslustige, ehrgeizige, etwas naive Sally Bowles genannt werden, eine persönlichkeits- und ausdrucksstarke Darstellerin mit kräftiger Stimme, tänzerischem und akrobatischem Talent, sie zog die Zuschauer vom ersten Moment ihres Auftritts in ihren Bann, und insbesondere ihre Songs „Mein lieber Herr“, „Maybe this Time“ und „Cabaret“, die sie teils gefühlvoll und melancholisch, teils frech, kapriziös und rockig darbietet, waren zu Recht die Höhepunkte des Abends, ebenso wie ihr Duett mit dem Conferencier, „Money makes the World go round“, dieser wurde dargestellt von Oliver Urbanski, Foto unten, der zu Beginn das Publikum mit seiner Auftrittsnummer „Willkommen, Bienvenue, Welcome“ begrüßt. Charmant durch den gesamten Abend leitend, in fast jeder Szene präsent, so singt und tanzt er sich mit einem gewissen Sex-Appeal, Witz und leichter Clownerie durch seine Partie; bei seinen beiden originellen Songs „Two Ladies“ und „Sähet ihr sie mit meinen Augen“ war ihm der donnernde Applaus des dankbaren Publikums gewiß.
Julian Culemann war der amerikanische Schriftsteller Cliff Bradshaw, der nach Berlin kommt, um ein Buch zu schreiben, der sich in Fräulein Schneiders Pension einquartiert und der im Kit-Kat-Club die Sängerin Sally Bowles kennen und lieben lernt. Stimmlich mit einem angenehm klingenden lyrischen Bariton ausgestattet, gab er darstellerisch den jungen freundlichen, gut aussehenden, verständnisvollen Liebenden, der sich glaubhaft um Sally sorgt. Auch Mario Zuber als Ernst Ludwig punktete mit adretter, sympathischer Ausstrahlung und angenehmen Stimmklang, er hatte seine stärksten Momente auf der Verlobungsfeier von Fräulein Schneider und Herrn Schulz, dem Gemüsehändler, dem zweiten Liebespaar in diesem Stück. Diese beiden wurden dargestellt von Susanna Panzner und Tilman Madaus, doch die späte Liebe der resoluten Pensionswirtin und dem höflich um ihre Hand anhaltenden jüdischen Mitbewohner ihrer Pension scheitert schließlich an den politischen Realitäten. Beide haben anrührende Momente in ihren Duetten, Herr Schulz noch zusätzlich in seinem witzig vorgetragenen Lied „Miesheit“. Schließlich ist da noch Fräulein Kost, ebenfalls Bewohnerin der Pension, sie liebt die Matrosen, mit ihren Liebesdiensten ist sie in der Lage, ihre Miete zu zahlen, sehr zum Unmut von Fräulein Schneider, die ihre Pension nicht zu einem Stundenhotel verkommen lassen will. Patricia Hodell ist dieses Fräulein Kost, die einige weitere amüsante Noten zur Handlung beisteuert und die ihren großen Moment auf der Verlobungsfeier von Fräulein Schneider und Herrn Schulz hat, wenn sie „Der morgige Tag ist mein“ anstimmt.
Einen großen Anteil an dieser wunderbar gelungenen Inszenierung hatte die ausgefeilte Lichtregie von Rolf Essers, insbesondere als der Abend fortschritt und sich die Dunkelheit über den Schlosspark legte; ebenso die phantasievollen Kostüme von Martina Feldmann, teils bieder wie bei Fräulein Schneider und Herrn Schulz, teils elegant wie bei Cliff Bradshaw und Ernst Ludwig,und sehr sexy bei Sally Bowles, bei Fräulein Kost, beim Conferencier, und beim großartig agierenden, von Vanni Viscusi choreographierten, aus sechs Tänzerinnen und vier Tänzern bestehenden Ballett, prickelnde Erotik, aufregend angedeuteter Sex, humoriger Witz, sprühender Charme und die faszinierende Akrobatik dieser Truppe trugen ganz wesentlich zu dieser gelungenen, erfolgreichen Eröffnung der Eutiner Festspiele 2021 bei.