Premiere für Madama Butterfly auf der Eutiner Seebühne
Die tragische Geschichte der Geisha, genannt Butterfly, begeistert das Publikum auch noch 100 Jahre nach seiner Premiere.
Eine klassische Tragödie. So beschreibt Regisseur Igor Folwill die Oper von Giacomo Puccini, die heute bei den Eutiner Festspielen Premiere feiert. Mit einem imposanten Bühnenbild, mit einem Ensemble und Chor in prächtigen Kostümen und einer Inszenierung, die die Oper im beginnenden 20. Jahrhundert belässt. Aber mit einer Schlussszene, die Puccini so nicht vorgesehen hat und über die der Regisseur nur so viel verrät: "Bei vielen Leuten, die es bei den Proben gesehen haben, war am Ende Taschentuchalarm."
Klassik klassisch inszeniert
Vermeintlich originelle Regie-Ideen, die auch schnell mal schief gehen können, haben auf der Seebühne nichts zu suchen, wie der erfahrene Theatermann Folwill findet. Dabei darf die Szenerie schon ausgefeilt sein, aber er habe, despektierlich ausgedrückt, nicht den "japanischen Wandverschiebebahnhof" nutzen wollen.
Stattdessen gibt es auf der Bühne einen Steingarten mit einer japanisch-buddhistischen Zone, einer amerikanischen Zone und dazwischen platziert, ist ein kreisrundes, rotes Zentrum: "Ein Kreis des Lebens, der immer wieder ausgeschritten werden muss, auf dem wesentliche Teile des Dramas stattfinden werden." Auf die Wirkung dieser klar strukturierten Szenerie setzt der Theaterwissenschaftler und Regisseur. Und auf sein, "hoch professionelles und auf höchstem gesanglichen Niveau agierendes Ensemble".
Lob vom Regisseur
Dazu gehört auch Gerard Quinn. Der gebürtige Schotte lebt seit mehr als 20 Jahren in Lübeck und hat hier am Theater einen festen Platz als Bariton - er ist ein Publikumsliebling und hervorragender Sänger. In Lübeck hat er vor Kurzem bereits den Konsul Sharplees gespielt. Für diese Rolle wollte Regisseur Folwill den Solisten auch unbedingt haben: "Gerry ist genau so, wie ich mir einen britischen Konsul vorstelle. Ein Gentleman alter Schule."
Gerard Quinn findet, dass Regisseur Folwill richtig liegt mit seiner Regie: "Igor bleibt ganz stark bei Puccinis Musik." Das sei für das Publikum auch deshalb wichtig, weil es keine Übertitel gibt und das Publikum durch Gesang und Schauspiel in italienischer Sprache die Geschichte verstehen können muss. "Es gibt immer Regisseure, die gehen gegen die Geschichte, gegen den Komponisten. Es muss nicht die gleiche Regie sein wie 1930 oder 1990. Es kann immer moderner sein, aber es muss passen, von Alpha bis Omega“, findet der Sänger, der sich auf die Premiere freut.
Die Handlung - eine Tragödie
Die Geschichte der Cio-Cio-San, die auf der Opernbühne zweieinhalb Stunden dauert, ist eigentlich schnell erzählt. Die blutjunge Japanerin mit dem Kosenamen Butterfly lernt in Nagasaki um das Jahr 1900 herum den amerikanischen Marineoffizier Pinkerton kennen. Sie wird ihm sozusagen mit der Unterkunft zur Verfügung gestellt.
Für ihn ein erotisches Abenteuer. Trotz einer Heiratsurkunde, die er ebenso wenig ernst nimmt wie die tiefen Gefühle von Cio-Cio-San. Sie fühlt sich an Gemahl und Vertrag gebunden, auch als er Japan wieder verlässt. Und immer noch, als er mit einer amerikanischen Ehefrau drei Jahre später zu Cio-Cio-San zurückkehrt. In Puccinis Oper wählt die so Entehrte den Freitod. Jedenfalls bei Puccini – mehr will Folwill ja nicht verraten über sein Eutiner Opernende.
Rollendebüt für eine Butterfly aus Kiew
Für Sopranistin Tetiana Miyus ist die Rolle der Butterfly ein Debüt. Sie singt sie mit Hingabe und - in der Generalprobe - auch mit einer gewissen Vorsicht. Denn diese Partie hat es in sich. Regisseur Folwill war wichtig, dass Butterfly einerseits zart und zierlich wirkt, andererseits ausdrucksstark. Gerade in den piano oder pianissimo Passagen wird die Qualität der Sopranistin deutlich. Klar und zart zugleich schweben die hohen Töne über den Orchestergraben zur Tribüne hinauf. Steigern sich im crescendo, das ebenfalls klar und voll erklingt.
Die Partie der Butterfly, der Cio-Cio-San, sie birgt viele Herausforderungen für Stimmbänder, Gesangstechnik und Ausdruck in der Komposition von Puccini. Sehr gut besetzt ist auch die Rolle des Pinkerton mit dem Waliser Timothy Richards, einem viel gelobten und international beachteten lyrischen Tenor. Ergänzt wird das Ensemble zudem von Wioletta Hebrowska als Suzuki. Die Rolle der Dienerin spielt die hervorragende Mezzosopranistin schon in der Lübecker Inszenierung und nun auch in Eutin.
Tradition und Klischee - was geht?
An der jeweiligen Inszenierung der Oper Madama Butterfly scheiden sich oft die Geister. Wie viel Tradition, wie viel Klischee, wie viele Regie-Ideen verträgt dieses Stück? Für Igor Folwill eine klare Sache: "Man kann das nicht abgrenzen japanisch-europäisch-asiatisch, sondern es geht darum, dass zwei Lebensprinzipien aufeinanderprallen - und dazwischen eine korrupte Welt herrscht."
Folwill, der im vergangenen Jahr erfolgreich "La Bohème" auf die Seebühne gebracht hat, kennt und mag diesen Ort. Auch wenn diese Bühne an sich schon eine Herausforderung ist.
Ein weites Feld, diese Bühne
Denn hier muss die Regie mit Solisten und Chor einen sehr großen, weiten Bühnenraum füllen. Die Gesangstöne, von Vogelgezwitscher oder Entengequake begleitet, steigen auf - und sind für den Bariton wie für die Sopranistin oder den Tenor schnell verhallt und kaum nachhörbar.
Der Weg auf die Bühne muss präzise angewiesen werden. Es kann schon mal ein bis zwei Minuten dauern, bis Pinkerton oder Sharpless backstage und durch die Kulissen auf dem regiemäßig richtigen Platz stehen und im musikalisch präzisen Moment agieren. Allerdings möglichst, ohne den Mund allzuweit aufzureißen, warnt Gerard Quinn: "Die Sonne geht unter, die Lichter gehen an – die Insekten kommen raus. Man muss aufpassen, nicht zu schlucken!"
Aufführungen bis Mitte August
Insgesamt neun Mal wird die Oper Madama Butterfly in Eutin aufgeführt - mit den Solisten, dem Chor der Eutiner Festspiele und mit der Kammerphilharmonie Lübeck im Orchestergraben. Neben der Oper gibt es ebenfalls mit Mitte August noch Aufführungen des Musical "Ein Käfig voller Narren" und eine ganze Reihe an verschiedenen Konzertabenden. Die Eutiner Festspiele hoffen auf eine erfolgreiche Saison und ein begeistertes Publikum an der Seebühne.