Interview mit Uwe Kröger
Eutiner Festspiele: Herr Kröger – Sie sind jetzt gerade wo – und Sie machen was?
Uwe Kröger: Ich bin am Theater Hof in Oberfranken – und wir spielen Cabaret. Ich bin verantwortlich für die Inszenierung und spiele im Stück den Conférencier.
EFS: Oh – das hört sich ja an, als tanzten Sie auf vielen Hochzeiten gleichzeitig?
U.K.: Naja, dieser Satz klingt für mich jetzt schon reichlich deutsch (lacht). Ich habe in so vielen Produktionen gespielt, war bei so vielen Uraufführungen dabei, ich habe auch nicht nur Schauspiel-Erfahrung, sondern habe ja auch schon Regie geführt, da ist eine solche Allianz naheliegend. Ich kann also beides gut machen, und beide Positionen spielen sich gegenseitig in die Hände.
EFS: Sie sind im Sommer in Eutin – kennen Sie diesen Festspielort eigentlich oder wird Ihr Aufenthalt bei uns ein Debut?
U.K.: Ich war im letzten August in Eutin, zu einem Gespräch mit dem Regisseur Tobias Materna und dem musikalischen Leiter Christoph Bönecker. Das war ein wundervolles Treffen, eine angenehme und tolle Atmosphäre. Dabei war die Anreise furchtbar, denn ich kam aus Spanien, wo ich lebe, nach Hamburg – und ausgerechnet da streikten die Lokführer. Wir mussten uns dann ein Auto mieten, um überhaupt nach Eutin zu gelangen. Aber dann lief alles, wie gesagt, wunderbar und ich bekam die Rollenzusage. Da ich nicht an Zufälle glaube, würde ich sagen: Das musste so sein.
EFS: Sie spielen in „La cage aux Folles“ Albin bzw. Zaza. Sie haben ihn bzw. sie schon 2014 in Salzburg und 2016 an der Staatsoperette in Dresden gespielt. Es gibt da offenbar eine besondere Verbindung zu diesem Stück?
U.K.: Ja, das ist ein Herzensstück von mir. Schon sehr früh fand ich dieses Theaterstück unwahrscheinlich berührend, denn es enthält so viel wunderbare Weisheit. Gerade jetzt in Zeiten eines neuen Krieges, ist die zentrale Botschaft doch unglaublich! Es sagt: Lass mich so sein, wie ich bin. Denn Schubladendenken, die Festlegung auf feste Rollenbilder, das rigide Grenzensetzen ist doch der Fluch, der dazu führt, dass die Menschen sich nicht mehr miteinander austauschen. So entstehen Feindschaften. Für mich ist „La cage aux folles“ daher auch ein sehr modernes Stück, dass diese Grenzen und festgeschriebene Rollenbilder auflöst. Es ist doch so bewegend, zu sehen, wie da ein homosexueller Mann eine liebevolle Vaterrolle ausübt, unabhängig davon, ob er nun tatsächlich einem herkömmlichen Vaterbild entspricht.
EFS: Der Titel des bekanntesten Stückes „I am what I am“ ziert auch T-Shirts Ihrer Mode-Kollektion…
U.K.: Genau. Der Titel dieser Hymne ist ein Motto, das sehr gut dafür stehen kann, was ich als zentrale Botschaft meines Lebens verstehe. Und das für unendlich viele ungelebte Leben stehen kann. Mein Ich als ein Mikrokosmos muss mit sich im Reinen sein. Nur dann kann es auch mit der Welt im Reinen sein. Das Ich muss Widersprüche aushalten und dabei doch in Würde es selbst bleiben. Wenn ich sage: „Ich bin was ich bin“, dann mache ich den ersten Schritt dahin, auch andere Menschen so sein zu lassen, wie sie sind.
EFS: „I am what I am“ ist auch der Titel Ihrer Autobiographie, die sie 2014 geschrieben haben. Da waren Sie gerade mal 50. Wie sind Sie darauf gekommen, in diesem Alter, das ja noch keine Lebensbilanz nahelegt, schon eine Autobiographie zu verfassen?
U.K.: Ich wollte kein Bilanz-Werk schreiben à la: „Das war mein Leben“. Eher so eine Art Zwischenbilanz, denn ich hatte zu der Zeit schon in rund 300 Produktionen gespielt, war an so vielen Theatern engagiert, hatte so viel erlebt rund um die Bühnen dieser Welt. Und ich habe damals auch Kolumnen geschrieben, mich viel schriftlich mit Fans ausgetauscht – das alles ist in das Buch geflossen. Das übrigens ein Interview ist zwischen meinem Co Autoren Claudio Honbal und mir. Damals war diese Dialog-Form genau richtig – heute würde ich es vermutlich ganz selber schreiben.
EFS: Das können Sie ja noch tun…
U.K.: (lacht) Klar, wenn ich hundert werde, mache ich das!
EFS. Noch mal zur künstlerischen Arbeit: Die ist ja in Ihrem Falle eher Berufung als Beruf. Gab es ihn, diesen magischen Moment, als Sie das erste Mal wussten: Ich will Musicaldarsteller werden – und sonst gar nichts?
U.K.: Nein, ich hatte als Kind mit der Welt der Bühne nicht viel zu tun. Ich bin in einer bodenständigen Familie aufgewachsen, war auf einem naturwissenschaftlichen Gymnasium, meine Mutter war Schneidermeisterin. Ich konnte zwar immer gut singen und zeichnen, aber eine Bühnenkarriere hatte ich nicht geplant. Dann kam eine Schauspielgruppe aus Berlin zu uns nach Hamm, die haben Sänger gesucht und Freunde sagten: „Du kannst das!“ und dann habe ich es gekonnt. Das war dann der Moment, an dem der Funken übergesprungen ist. Da ich nicht an Zufälle glaube, war das vielleicht eine Art Fügung, die mein Leben in Richtung meiner Berufung gelenkt hat.
EFS: Sie sind mehrfach ausgezeichnet worden, u.a. haben Sie das Goldene Ehrenzeichen und das Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich erhalten – für Ihre große künstlerische Leistung rund um das Musical. Schätzt Deutschland dieses Genre – nach Ihrem Empfinden – ähnlich hoch ein? Oder ist die deutsche Zäsur zwischen E- und U-Musik größer?
U.K.: Diese Frage ist – Pardon! – wieder eine sehr deutsche Frage. Ich finde diese Trennung schlicht ermüdend: In Amerika z.B. ist diese Unterscheidung in Unterhaltungsmusik und ernste Musik gar nicht existent. Die meisten Darsteller durchlaufen im Laufe ihrer Ausbildung alle möglichen Kategorien – Schauspiel, Tanz, Gesang – und niemand stellt die Frage: Ist das Musical nicht eine zu leichte Kost? Ist das ein ernsthafter Schauspieler oder nicht? Die Frage ist doch: Hast Du Talent oder hast Du keins? Bewegst und berührst Du Dein Publikum? Alles andere ist eine unnötige Grenzziehung, die der Offenheit der Kunst und der des Lebens einfach nicht guttut.
EFS: Herr Kröger, ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch.