Till Brönner bringt guten Jazz zurück nach Eutin
An die 1500 Menschen feiern den erfolgreichsten deutschen Jazz-Trompeter bei einem Konzert, das die Eutiner Festspiele präsentierten
Till Brönner, der aktuell bekannteste und erfolgreichste deutsche Jazz-Musiker, und eine sechsköpfige Band nahmen die rund 1500 Zuhörer mit auf eine Reise durch Jazz unterschiedlicher Zeiten und Kontinente.
Der 52-Jährige ist vielseitig talentiert, in erster Linie aber ein genialer und virtuoser Musiker. Wie Miles Davis oder der oft in Verbindung mit Brönner genannte Chet Baker hat der in Viersen geborene Trompeter einen unverkennbaren Sound und Stil entwickelt.
Dabei pflegt er eine große Bandbreite an musikalischen Stilen sowohl innerhalb des ohnehin gigantischen Spektrums des Jazz als auch darüber hinaus. Als bislang einziger Musiker gewann er in allen drei Echo-Kategorien Jazz, Pop und Klassik und wurde zwei Mal für den Grammy nominiert.
Brönner, seit 2009 Professor an der Dresdener Musikhochschule Carl Maria von Weber, spielt aber nicht nur Trompete, sondern offenbart sich seine vielfältigen Talente als Sänger, Komponist, Produzent und Fotograf. Mit seiner charmanten, sympathischen Art ist er außerdem häufig in verschiedenen Fernsehformaten präsent gewesen.
In Eutin gastierte Brönner zum ersten Mal im Rahmen einer Tournee, bei der er nach der zweijährigen Corona-Pause sein jüngstes Album „On Vacation“ im Mittelpunkt stellt. Die Aufnahmen wurden 2019, bevor Corona den Lauf der Welt änderte, in Zusammenarbeit mit dem Pianisten Bob James in einem außergewöhnlichen Studio in Südfrankreich produziert. Die Stücke sind, was Brönners Musik auszeichnet: Vielseitig, vielfach eingängig und schlicht virtuos gespielt.
Die Adjektive passen zum Konzert in Eutin, bei dem Stücke des jüngsten Albums mit weiteren Kompositionen wie zum Beispiel eine Interpretation des Carlos-Santana-Lieds „Europa“ erklangen, dessen dominantes Gitarrenspiel sich ebenso wie die lateinamerikanischen Rhythmen für Brönner Jazz-Adaptionen eignen. Brönner leitete das Stück mit einer Moderation ein, in der er sich zu einem vereinten Europa bekannte, das sich seiner Kultur und Stärken mehr bewusst sein sollte und das schneller und entschlossener handeln müsste.
Da ist der politisch denkende Künstler, der im Herbst 2020 mit einer „Wutrede“ Aufmerksamkeit erzeugte. Er hatte der Regierung vorgeworfen, die existenzbedrohenden Folgen der Corona-Restriktionen für Künstler zu missachten.
Im Eutiner Konzert hat Wut keine Raum, stattdessen eine stilistische Wanderung vom traditionellen Swing über knackigen Rock-Jazz bis zu vielen lateinamerikanischen Tönen, ganz viele Samba-, Rumba- und Salza-Rhythmen. Brönner spielt schwere Partien mit bewundernswerter, scheinbarer Leichtigkeit, lässt daneben seinen Kollegen genug Raum, mit Improvisationen ihre instrumentalen und musikalischen Fähigkeiten zu zeigen.
Ob Bruno Müller, der auf seiner Gitarre ein selten zu hörendes Legato zelebriert, aber auch akzentuierte Stakkati beim Funkjazz kann, oder Mark Wyand, dessen von gefühlvoll bis exzessiv gespieltes Saxophon sowohl solo als auch im Zweiklang mit Brönners Trompete erklingt. Sichere Basis des Konzerts: Schlagzeuger Felix Lehrmann und Bassist Christian von Kaphengst. Einziges Manko des Abends: Weniger Lautstärke wäre besser gewesen.
Insgesamt ist es eine Freude, dass sich so viele Menschen zu einem Jazz-Konzert locken lassen, und davon nach den Autokennzeichen auch viele über größere Strecken. Brönner und seine Band hatten offenbar genau so viel Spaß wie das Publikum, das sich zum Schluss zu großen Teilen zum Tanzen verleiten ließ.
Brönner: Ich komme wieder
Er komme wieder, versprach Brönner, der sich mit einer ungewöhnlichen Zugabe verabschiedete: „Jesus to a child“. Brönner spielte den Klassiker von George Michael im Trio mit Bassist von Kaphengst und Painist Olaf Polziehn und entließ das Publikum mit seinem unverwechselbaren Trompeten-Sound im Ohr.