Riesige Handys und große Bildschirme
Die Rockoper „Jesus Christ Superstar bekommt ein hoch modernes Bühnenbild
Der Bühnenboden gleicht in schwarz-silber-grauer Optik riesigen Tasten. Darauf stehen überdimensionierte Smartphones, deren Beweglichkeit Bühnenbildner Jörg Brombacher und Musical-Regisseur Till Kleine-Möller begeistert vorführen.
Live-Übertragung mit Handykamera
Was sich im Maßstab 1:25 spielend mit den Fingern hin und her schieben lässt, soll mit Stahlkonstruktion und zwei Meter breiten Bildschirmen gut 800 Kilogramm wiegen. Die Bühnenelemente muten nicht nur an, als seien sie übergroße Endgeräte unserer digitalen Welt; sie sollen auf der neuen Bühne der Eutiner Festspiele im Musical „Jesus Christ Superstar“ auch genau so funktionieren. Mittels großen LED-Bildschirmen an den Bühnenelementen soll neben teils vorproduziertem Inhalt übertragen werden, was die Darsteller live über ihre Handykamera filmen, so der Regisseur.
„Wir wollen eine moderne Übersetzung von Jesus 2.0 schaffen mit seiner Followerschaft und allem was dazugehört“, sagt Till Kleine-Möller. Er wolle sich auf Eutins Bühne der Frage nähern: Was ist Realität in Zeiten von künstlicher Intelligenz und moderner Technik? Was passiert mit Aussagen, wenn sie aus dem Kontext gerissen werden? Eigens für das Stück wurde ein Videokünstler aus Berlin engagiert. Und es brauche großen technischen Support - bis hin zum eigenen Wlan für die Darsteller im Stück.
Flexibel für verschiedene Bühnenbilder
Brombachers Bühnengestaltung mit mehr als 20 kleinen und großen Bühnenelementen erlaube einen flexiblen Einsatz und zahlreiche verschiedene Bühnenbilder: So könnten aus einer Showtreppe, die die verschiedenen Ebenen der Bühnen verbinde, kurzerhand ein Laufsteg, eine Gerichtsszene bis hin zu Tischen und Sitzmöglichkeiten werden.
Werden die „Smartphones“ gedreht, entstehen zwei bespielbare zusätzliche Ebenen, so Brombacher. Fungieren die riesigen Smartphones nicht als Übertragungsgerät zum Einbetten von Videos und Bildern, sind sie moderne Beleuchtungstechnik, um die Konzerte in der Rock-Oper besonders in Szene zu setzen.
Hoffnung auf einen frühen Bühnenaufbau
„Die Darsteller werden bis auf die großen Elemente alles selbst im Stück umbauen, das muss intensiv geprobt werden“, sagt Kleine-Möller. Nicht nur wegen des baldigen Probenbeginns im Mai, sondern auch wegen der großen neuen Bühne hoffen die Verantwortlichen der Eutiner Festspiele so früh wie möglich mit dem Aufbau beginnen zu können.
„Eigentlich wollten wir gern am 1. April mit dem Aufbau beginnen, jetzt sind wir mittlerweile beim 15. April“, sagt Festspiele-Geschäftsführer Falk Herzog. Der Grund: Der Beton des Orchestergrabens muss sechs Wochen aushärten, bevor dahinter Erde verdichtet und darüber Lasten gebaut werden könnten.
Größe der Bühne deutlich gewachsen
Apropos Bühne: Nicht nur das Bühnenbild ist so technisiert wie nie zuvor. Auch die Größe der bespielbaren Bühne ist deutlich gewachsen und ebenso der Orchestergraben habe hinzugewonnen. „Weil die Zuschauertribüne schlank ausläuft, wurde der Orchestergraben daraufhin angepasst. Das Schöne für die Akustik: Wir werden dafür eine feste Teilüberdachung bekommen, was den Vorteil hat, dass der Schall des Orchesters noch gebündelter in Richtung Publikum geht“, sagt Brombacher. „Wie in Bayreuth“, ergänzt Till Kleine-Möller.
Über die Teilüberdachung baut Brombacher noch einmal weiter 2,50 Meter Bühnenboden schwebend in Richtung Zuschauer. Darunter könnte dann nicht nur der Regenschutz für den Orchestergraben versteckt, sondern durch noch mehr Nähe zum Publikum auch intime Momente kreiert werden, obwohl die 2000 Menschen ringsum sitzen.
Neuer Platz für größere Orchester
Da der Orchestergraben durch die gut fünf Meter mehr Länge deutlich an Fläche gewonnen habe, seien künftig auch größerer Orchesterbesetzungen möglich als bislang. Während die Freischütz-Oper mit rund 70 Musikern aufwartet, spielen beim Musical nur rund die Hälfte. Um die musikalische Qualität zu gewährleisten, wird in den Orchestergraben eine Fußbodenheizung eingebaut.
„Es mag im ersten Moment komisch klingen. Aber Feuchtigkeit und Kälte von den Instumenten fernzuhalten, damit diese nicht verstimmen, ist wirklich wichtig und spürbar in der Qualität“, macht Falk Herzog deutlich. Vor der Baumaßnahme hätten Radiatoren dafür gesorgt, das sei absolut nicht mehr zeitgemäß.
Kein Ton kommt aus der Konserve
„Das besondere bei uns, und darauf sind wir wirklich stolz, ist, dass jeder Ton aus dem Orchestergraben kommt. Musik ist hier handgemacht, nichts kommt aus der Konserve“, macht Herzog deutlich. Dass das digitale Bühnenbild nahezu komplett – inklusive des Bühnenbodens – für den Freischütz ab- und umgebaut werden müsse, sei „kein Problem“, sagt der Bühnenbauer. Es mag Aufwand sein, aber mit einem Tag zwischen den Stücken sei das schaffbar. Die größere Herausforderung liege im ersten Aufbau der Bühnenkonstruktion und den technischen Neuheiten, so Brombacher.