Eutiner Festspiele 2021: Das Musical „Cabaret“ als ein Spiegel der Zeit
Eutin | Für die Mitglieder des Förderkreises der Eutiner Festspiele gibt es in jeder Spielsaison die Möglichkeit, einer Orchesterprobe beizuwohnen. Dieses Mal gab es vor Probe am Dienstag einen Vortrag über Hintergründe und mögliche aktuelle Zeitbezüge des Musicals „Cabaret“. Auf der Studiobühne waren wegen Corona nur 50 der 250 Mitglieder des Förderkreises zugelassen, alle Plätze waren besetzt.
Es ist das erste Mal, dass ein Vortrag mit tiefergehenden Informationen vorab angeboten wurde. Geschäftsführer Falk Herzog war angenehm überrascht über das große Interesse.
Der Berliner Publizist Matthias Gerschwitz, der seit 2018 auch die Programmhefte für die Festspiele schreibt, stellte eine zeitgeschichtliche Einordnung des 1966 uraufgeführten Musicals vor. Die Liebesgeschichte im Berlin der 1920er Jahre spielt vor dem politischen Hintergrund des Endes der Weimarer Republik und des zunehmenden Einflusses der Nationalsozialisten.
Mit Filmaufnahmen aus dieser Zeit, Zitaten bekannter Persönlichkeiten und einer Liste politischer Ereignisse, besonders am Ende der 1920er Jahre, ließ Gerschwitz auf unterhaltsame Weise ein buntes Bild der Zerrissenheit dieser Zeit entstehen, in der einerseits Aufbruch und Neubeginn Chancen boten, andererseits ein autoritäres und menschenverachtendes Regime letztendlich in die Katastrophe führte.
Ein Zitat Erich Kästners: „...hier findet sich kein Schwein zurecht, die Echten sind falsch, die Falschen sind echt...“ aus dem „Ragout fin de siecle“, in dem der die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche aufs Korn nimmt.
Gerschwitz stellte Ereignisse wie die Verleihung des Literaturnobelpreises an den Buddenbrooks-Autor Thomas Mann“, die Oscar-Verleihung für den besten Film „Menschen im Hotel“, den Besuch des afghanischen Königs Amanullah Khan in Berlin und die Entstehung eines neuen Karstadts, damals eines der weltweit größten Kaufhäuser, bedrohlichen Ereignissen gegenüber.
Tageszeitungen buhlen um Leser
In Berlin fanden Straßenkämpfe statt, auf den Reichstag wurde ein Brandanschlag verübt, Heinrich Himmler wurde von Hitler an die Spitze der Sturmabteilung (SA) gestellt. Weiter berichtete er, dass150 Tageszeitungen um die Leser buhlten, immer mehr mit Behauptungen anstelle von Argumenten.
Mit Blick auf die heutige Zeit sagte er, Zeitungen könnten keine Revolution machen, wohl aber seien Medien in der Lage, ein Klima zu erzeugen. Und er ergänzte, dass Aufrufe zur Wachsamkeit kaum die Leserschaft der Presse erreichten.
Unterhaltung mit politischer Botschaft
Gerschwitz' Fazit: Das Musical Cabaret habe es meisterlich geschafft, bei aller Leichtigkeit nicht nur zu unterhalten, sondern Zusammenhänge und eine politische Botschaft zu zeigen. Und der engagierte Autor historischer Geschichten nahm zum Schluss das Lied „Der morgige Tag ist mein“ zum Anlass, um darauf aufmerksam zu machen, wie sich Ideologien schleichend in der Gesellschaft festsetzen können.
„Dieses Lied möge als Warnung dienen und uns heute darin bestärken, für eine vielfältige, demokratische und vom Miteinander geprägte Gesellschaft zu kämpfen.“