Abschied von der Tribüne: Gala-Abend mit Überlänge und viel Prominenz
Die erfolgreichste Spielzeit seit 2004 liegt hinter den Eutiner Festspielen
Mit dem berühmten und aufmunternden Radetzky-Marsch von Johann Strauß sen. endete am Samstagnacht auf der Seebühne die „Viva-la-musica!“-Gala. Die letzte große Belastungsprobe für Menschen und Material, bevor die Abrissbirne Platz schafft für Zukünftiges. Und noch einmal Musikgenuss am Eutiner See, denn für 2023 haben die Festspiele die Saison bereits abgesagt, da keine Interimslösung für Oper und Musical gefunden wurde.
Spät ist es geworden – und kalt und windig spürte sich der baldige Herbstmond heran, der anfangs die noch warmen Sonnenstrahlen verscheuchte. Der musikalische Marathon dauerte beinahe dreieinhalb Stunden. Es sollte sich nämlich lohnen, noch einmal vor ausverkaufter Kulisse ausgiebig singen und spielen zu können. Indes erlebte nicht jeder Zuschauer das furiose Ziel des gemeinsamen, einheitsstiftenden Mitklatschens.
Aber alle Akteure des Abends gaben sich nochmals die größte Mühe, ihr wertes und erwartungsvolles Publikum zu erfreuen, wenn auch nicht alles perfekt ablief. Gekommen waren die groß besetzte Kammerphilharmonie Lübeck unter der bewährten Stabführung von Hilary Griffiths – inzwischen ein Urgestein der Eutiner Festspiele –, fünf Solisten, die hier wenigstens schon einmal aufgetreten waren, der Eutiner Festspielchor und nicht zuletzt ein gutgelaunter Andreas Hutzel.
Hilary Griffiths und Andreas Hutzel als Moderator
Als umtriebiger Moderator führte er durchs abwechslungsreiche Programm, der die einzelnen Ouvertüren und Zwischenspiele, die zahlreichen Arien, Duette, Terzette bis hin zum Solisten-Quinett der letzten 70 Jahre ankündigte, die, wie er sagte, „prägend für die Eutiner Festspiele geworden sind.“ Die berühmte Ouvertüre zu Carl Maria von Webers Freischütz, die bereits 1951 die ersten Festspiele mit noch reduziertem Orchester – aber nicht weniger weihevoll – aus der Taufe gehoben hatte, eröffnete auch den musikalischen Reigen dieses Abends. Nach Weber, dessen Musik in bislang rekordsüchtigen 43 Spielzeiten zu hören war, folgten verschiedene Opernarien von Wolfgang Amadeus Mozart (elf Spielzeiten), Ludwig van Beethoven und Georges Bizet (fünf) und die italienischen Granden wie Giuseppe Verdi (acht) oder Giacomo Puccini.
Während im ersten Teil die eher ernste Muse im Vordergrund stand, war der zweite Teil der heiteren Seite der weniger ab- und tiefgründigen Operetten und Musicals gewidmet. Während die Musik erklang, sah man Aufnahmen einiger Aufführungen seit Beginn der Festspiele. Die Solisten prägten mit ihren Stimmen den festlichen Abend und zogen die Zuhörer magisch in ihren Bann: Zunächst die beiden Soprane Susanne Braunsteffer, die beispielsweise mit der lyrischen Arie „Radames verrá...“ der Aïda aus Verdis gleichnamiger Oper oder Carl Zellers populäre Rosen-Arie aus dessen Vogelhändler zu hören war und Jasmin Delfs, die unter anderem die Musetta-Arie aus Puccinis La Bohème sowie „Ich hätt’ getanzt heut’ Nacht“ aus dem Musical My Fair Lady intonierte.
Von den männlichen Kollegen brachten der Tenor Zoran Todorowitsch beispielsweise die zu Herzen gehende Blumenarie aus Bizets Oper Carmen zu Gehör, Manos Kia, Bariton, das Zarenlied aus Albert Lortzings Operette Zar und Zimmermann.
Und Stefan Sevenich hörte man nicht nur in der Rocco-Arie aus Beethovens Fidelio sondern auch mit dem berühmten Song „Wenn ich einmal reich wär“ aus dem Musical Anatevka von Jerry Bock.
Wie geht’s weiter? Das ist die Frage. Vielleicht ist in diesem Zusammenhang ein berühmtes Bertold-Brecht-Zitat angebracht: „Und so sehen wir betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen“.